Vor nicht all zu langer Zeit veröffentlichte Waging Nonviolence einen Artikel mit dem Titel „Die Wurzeln revolutionärer Gewaltlosigkeit in den Vereinigten Staaten liegen in der schwarze Gemeinschaft.“
Der Artikel behandelt den Prozess von Afroamerikaner*innen, die in den 1930er Jahren nach Indien reisten, um mehr über Gandhis Philosophie der Gewaltlosigkeit zu lernen – eine Philosophie, die natürlich später in den USA während der Bürgerrechtsbewegung entwickelt und von Martin Luther King verkörpert wurde.
Seitdem haben sich viele Dinge für die schwarze Gemeinschaft geändert, darunter die zweimalige Wahl eines Schwarzen Amerikaners zum US-Präsidenten. Aber die heutige Situation mit der COVID-Pandemie zeichnet ein sehr trauriges Bild. Am 2. Februar verkündete eine Schlagzeile in der USA Today: „Die USA haben ein ganzes Jahr an Lebenserwartung verloren – und für Schwarze ist es fast dreimal schlimmer“, was die Kluft unterstreicht, die immer noch zwischen der weißen Gemeinschaft und vielen Farbigen in diesem Land besteht. Letztere machen den größten Teil unserer Frontlinie aus, Arbeiter*innen, Einzelhandelsmitarbeiter*innen und Zusteller*innen, diejenigen, die mit COVID-19 direkt konfrontiert werden. Viele von ihnen leben auch in Mehrgenerationenfamilien, die Herausforderungen für Social Distancing und Quarantäne darstellen. Die Hauptherausforderung für farbige Gemeinschaften ist der Zugang zum Impfstoff. „Meine Sorge ist jetzt,“ sagt Dr. Fola May, eine UCLA-Ärztin und Gesundheits-Fairness-Forscherin, „wenn wir nicht die Bevölkerung impfen, die das höchste Risiko hat, werden wir noch unverhältnismäßigere Todesfälle in schwarzen und farbigen Gemeinschaften sehen.“
Wir können die Einführung von Impfungen als das höchste Beispiel für strukturelle und systemische Diskriminierung betrachten. Die Impfstoffforschung und -produktion liegt in den Händen privater Unternehmen, die für diejenigen zugänglich sind, die die größte Zahlungsfähigkeit haben. Und die Impfpläne der Staaten nutzen Technologie als Filter: Eine Person muss Stunden online verbringen, Tag für Tag, um einen Termin zu bekommen, der dann einen Tag vorher abgesagt werden kann. Eine Frage: Wer hat die Zeit, die Energie und den technologischen Zugang dafür?
Der Weiße Westen hat diese Art von Strukturen über Jahrzehnte geschaffen, um sicherzustellen, dass weiße Menschen an der Macht sind und bleiben.
Die Finanzstruktur basiert auf dem gleichen Modell wie die Impfstoffeinführung. Eine Minderheit kontrolliert das Kapital und entwickelt dann private Strukturen für Forschung und Produktionen, die dann mit einem sehr komplizierten Verteilungs- und Zugangssystem verbunden sind. Für eine farbige Person ist es genauso kompliziert, den Impfstoff zu bekommen, wie zum Beispiel Zugang zur Finanzierung eines Hauses zu erhalten.
Die Biden-Regierung arbeitet an Einwanderungsgesetzen, die einen Weg zur Legalisierung von 10 Millionen Einwanderern ohne Papiere, hauptsächlich aus Mexiko und Südamerika, ermöglichen. In den letzten 20 Jahren haben die Demokraten versucht der Einwanderergemeinschaft irgendeine Form des Schutzes (Führerscheine, kommunale Ausweise) zu gewähren. Obama verbrachte jahrelange politische Manöver, um die DACA-Reform durchzusetzen, die nicht dokumentierten Jugendlichen die vorübergehende Möglichkeit gab, legal in den USA zu arbeiten und zu studieren.
Aber die Frage ist: Warum ist so wenig über eine so lange Zeit getan worden? Weil es in der Einwanderungsfrage nicht wirklich um Einwanderung geht, sondern um Rasse.
Es geht darum, farbige Menschen aus den USA fernzuhalten. Der frühere Präsident hat diese Meinung während seines Wahlkampfes sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, indem er das Sinnbild der Grenzmauer zu Mexiko benutzte. Es ist dieses Bild, das ihm seinen Sieg einbrachte. Der Weiße Westen braucht den Mut, einen Rassisten Rassist zu nennen, und muss aufhören das Problem zu beschönigen, indem man ihm einen anderen Namen gibt.
Was direkt angegangen werden muss, sind Diskriminierung und Rassismus. Das Konzept der Rasse wurde geschaffen, um farbige Menschen zu kennzeichnen, anstatt ihre Menschlichkeit anzuerkennen. Shirley Campbell Barr brachte es auf den Punkt:
„Wir waren nicht schwarz, bis wir mit Europäern in Kontakt kamen. Wir waren nur Menschen.“
Um die Idee einfach zu halten, ist das Hauptproblem für den Weißen Westen die Universalität. Für die Weiße Macht kann nichts für alle sein, denn wenn es für alle ist, dann kann es niemand kontrollieren. Der Weiße Westen kann nicht immer der VIP der Welt sein. Arbeiten innerhalb der heutigen mentalen Struktur, „Wir, das Volk“ können nicht wirklich vollständig umgesetzt werden. Stattdessen haben wir diese abstrakte Form der Demokratie, mit Einschränkungen und Regeln, die dafür sorgen, dass nicht jeder wählen kann und viele stimmlos und ohne jede Repräsentation zurücklassen.
Wenn der Weiße Westen Gewaltfreiheit lernen und vor allem anwenden will, wenn er wirklich aufhören will, Gewalt als Lebensform zu benutzen, dann muss er anfangen, die Art und Weise zu ändern, wie er in der Welt agiert, die Art und Weise, wie er definiert und diktiert, was ist und was nicht ist. Das Problem ist nicht der Impfstoff, sondern seine Verteilung. Das Problem ist nicht das Geld, sondern die Konzentration und Kontrolle. Das Problem betrifft nicht die Bildung, sondern den Mangel an universellem Zugang. Das Problem liegt nicht in der Politik, sondern bei Politiker*innen, die versuchen, um jeden Preis an der Macht zu bleiben.
In diesem Moment besteht die Wahl für den Weißen Westen entweder darin, den Glauben an Gewalt absichtlich abzulehnen oder den anhaltenden Untergang unserer Gesellschaft zu beobachten. „Wir, das Volk“ muss universell werden, denn darin liegt die Zukunft der Menschheit.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Jenny Blassauer aus dem ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!