Am 15. April veröffentlichte die New York Times einen Artikel unter der Überschrift „Wie die USA planen, nach dem Truppenabzug aus Afghanistan den Kampf aus der Ferne zu führen“ – nur falls sich jemand Illusionen angesichts des Aufmachers vom Vortag gemacht hatte: „Es ist Zeit, den ewigen Krieg zu beenden – Biden macht den Rückzug aus Afghanistan klar“, eine Aussage, die darauf schließen ließ, dass der Krieg der USA in Afghanistan am 11. September 2021 tatsächlich enden könnte, fast 20 Jahre nachdem er begonnen hatte.
Wir erlebten diese Lockvogeltaktik bereits zuvor in einer früheren Ankündigung von Präsident Biden, die Unterstützung der USA für den langen und elenden Krieg im Jemen zu beenden. In seiner ersten großen Rede zur Außenpolitik am 4. Februar verkündete Präsident Biden: „Wir beenden jegliche amerikanische Unterstützung für offensive Operationen im Krieg im Jemen“. Ein Krieg, der von Saudi-Arabien und seinen Alliierten seit 2015 geführt wurde, ein Krieg, den er als „eine humanitäre und strategische Katastrophe“ bezeichnete. Biden erklärte: „Dieser Krieg muss beendet werden.“
Wie auch bei der Ankündigung vergangener Woche, dass der Krieg der USA in Afghanistan beendet werde, folgte die „Klarstellung“ einen Tag darauf. Am 5. Februar zerstreute die Biden-Administration die Vorstellung, dass sich die USA komplett aus dem Business des Tötens von Jemeniter:innen zurückziehen werde und das Außenministerium gab ein Statement heraus, wonach „es maßgeblich ist, dass davon Offensiven gegen den IS oder AQAP (Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel) ausgenommen sind.“
Anders gesagt – was auch immer in dem Krieg der Saudis geschieht, wird der Krieg, der von den USA seit 2002 unter dem Deckmantel der vom Kongress verabschiedeten Autorisierung zum Einsatz der US-Armee gegen die Verantwortlichen der Anschläge des 11. September geführt wird, endlos weitergehen, und zwar trotz der Tatsache, dass 2001 weder der IS noch Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel existierten. Diese anderen „offensiven Operationen“ der USA, die im Jemen unvermindert fortgeführt werden, bestehen aus Angriffen mittels Drohnen, Cruise-Missiles und Sondereinheiten.
Was nämlich Präsident Biden hinsichtlich des Kriegs in Afghanistan vergangene Woche tatsächlich sagte war „Wir werden die terroristische Bedrohung im Auge behalten“ und „Wir werden unsere Kräfte zur Terrorismusbekämpfung sowie die wesentlichen Kapazitäten in der Region neu aufstellen, um eine erneute terroristische Bedrohung für unser Heimatland zu verhindern.“ Die New York Times brachte es auf den Punkt: „Drohnen, Langstreckenbomber und Spionagenetzwerke werden zur Anwendung kommen, um Afghanistan daran zu hindern, erneut als Basis für eine terroristische Bedrohung der USA zu fungieren.“
Bidens Ankündigungen und Aktionen im Februar zum Krieg im Jemen und im April zum Krieg in Afghanistan lassen darauf schließen, dass es ihm weniger darum geht, die „endlosen Kriege“ zu beenden, sondern eher darum, diese Kriege den mit 200 kg Bomben bestückten Drohnen und Hellfire Missiles zu überlassen, die aus tausenden Kilometern Entfernung gesteuert werden.
Als sich 2013 Präsident Obama mit der Begründung für Drohnenkriege aussprach, dass „wir mit unseren Aktionen, die präzise gegen diejenigen gerichtet sind, die uns töten wollen und nicht gegen die Menschen, zwischen denen sie sich verstecken, die Maßnahmen wählen, bei denen das Risiko, unschuldiges Leben aufs Spiel zu setzen, am geringsten ist“, war bereits bekannt, dass das nicht der Wahrheit entsprach. Mit großer Mehrheit sind die Opfer von Drohnenangriffen Zivilisten, nur wenige sind per Definition Kämpfer und selbst diejenigen, die als mutmaßliche Terroristen ins Ziel genommen wurden, sind Opfer von Morden und außergerichtlichen Exekutionen.
Die Gültigkeit von Bidens Aussage, dass „Terrorabwehrmaßnahmen“ der USA, wie Drohnen und Spezialkräfte effektiv „das erneute Auftreten einer terroristischen Bedrohung für unser Heimatland verhindern“, wird von der New York Times als gegeben übernommen: „Drohnen, Langstreckenbomber und Spionagenetzwerke werden zur Anwendung kommen, um Afghanistan daran zu hindern, erneut als Basis für eine terroristische Bedrohung der USA zu fungieren.“
Nachdem die Ban Killer Drones, „eine internationale Graswurzelkampagne zur Ächtung bewaffneter Drohnen sowie militärischer und polizeilicher Drohnenüberwachung“ im April 2019 ins Leben gerufen wurde, wurde ich in einem Interview gefragt, ob es in der Regierung, beim Militär, in diplomatischen Kreisen oder bei den Geheimdiensten irgendjemanden gäbe, der unsere Position unterstützt, dass Drohnen nicht zur Terrorabwehr geeignet sind. Ich glaube das nicht, jedoch gibt es viele, die früher in diesen Positionen waren, die uns zustimmen. Eines von vielen Beispielen dafür ist der zurückgetretene General Michael Flynn, der unter Obama oberster Vertreter des militärischen Nachrichtendienstes war, bevor er sich der Trump Administration anschloss (und anschließend verurteilt und wieder begnadigt wurde). Er sagte 2015, „Wenn man von einer Drohne aus eine Bombe abwirft… richtet man mehr Schaden an, als man Gutes tut“ und „Je mehr Waffen wir liefern, je mehr Bomben wir werfen, … wird es den Konflikt nur anheizen.“ Von Wikileaks veröffentlichte interne Dokumente der CIA zeigen, dass die CIA ähnliche Zweifel an ihrem eigenen Drohnenprogramm hegte. „Die potentielle negative Auswirkung von Operationen gegen hochrangige Ziele“ heißt es im Bericht, „führt zu einer erhöhten Unterstützung für die Aufrührer, (…), der Verfestigung der Bande einer bewaffneten Gruppe mit der Bevölkerung, der Radikalisierung der verbliebenen Anführer der aufständischen Gruppen, der Schaffung eines Vakuums, das noch radikalere Gruppen füllen können sowie zur Eskalation oder Deeskalation eines Konfliktes im Sinne der Rebellen.“
Um auf die Auswirkungen von Drohnenangriffen im Jemen zurückzukommen – der junge jemenitische Schriftsteller Ibrahim Mothana berichtete dem US-Kongress 2013, dass „Drohnenangriffe dazu führen, dass immer mehr Jemeniter:innen Amerika hassen und sich radikalen und militanten Gruppen anschließen“. Die Drohnenkriege, die die Biden-Administration offenbar wild entschlossen ist auszuweiten, richten eindeutig mehr Schaden an. Sie sind ein Rückschritt für die Sicherheit und Stabilität der angegriffenen Länder und erhöhen die Gefahr von Angriffen auf Amerikaner daheim und im Ausland.
Bereits vor langer Zeit sahen sowohl George Orwell als auch Präsident Eisenhower die heutigen „ewigen Kriege“ voraus und warnten die Industrie, Wirtschaft und Politik der Länder davor, derartig von der Herstellung und dem Bedarf an Waffen abhängig zu werden, dass Kriege nicht länger mit der Absicht geführt würden, sie zu gewinnen, sondern sicherzustellen, dass sie niemals enden. Was auch immer die Absichten Joe Bidens mit seinem Ruf nach Frieden in Afghanistan und im Jemen sind, während er gleichzeitig den Krieg mit Drohnen weiterführt – sie klingen hohl.
Für einen Politiker hat der „Krieg aus der Luft“ ganz offenkundige Vorteile gegenüber einem „Krieg am Boden“. In seinem Essay „Day of the Drone“ (Tag der Drohne) schreibt Conn Hallian, dass damit „natürlich die Zahl der Leichensäcke reduziert wird“. „Doch das bringt ein unangenehmes moralisches Dilemma mit sich: Wenn der Krieg keine Opfer generiert, außer bei den Zielen, kommt man dann nicht eher in Versuchung, ihn zu führen? Die Drohnenpiloten in ihren klimatisierten Trailern im südlichen Nevada werden nie den Boden am Ziel berühren, doch die Menschen dort werden eines Tages Wege finden, zurückzuschlagen. Wie die Angriffe auf die Türme des World Trade Centers und die jüngsten Terrorattacken in Frankreich gezeigt haben, ist das überhaupt kein Problem und es steht nahezu außer Frage, dass die Opfer Zivilisten sein werden. Ein Krieg ohne Blutvergießen ist eine gefährliche Illusion.“
Krieg führt niemals zum Frieden, Krieg kehrt immer zum Ausgangspunkt zurück. Mit Ausnahme von vier belegten Todesopfern durch „friendly fire“ (versehentlicher Beschuss aus den eigenen Reihen), war jeder einzelne der vielen tausend Opfer von Drohnenangriffen eine Person of Color, und Drohnen werden zu einer weiteren militärischen Waffe, die den Weg von Kriegsgebieten hin zu städtischen Polizeibehörden nehmen. Die technischen Fortschritte und der zunehmende Einsatz von Drohnen als eine preiswertere und politisch korrektere Art für viele Länder, mit ihren Nachbarn oder quer über den Globus Krieg zu führen, machen ewig andauernde Kriege immer festgefahrener.
Es passt nicht zusammen, über Frieden in Afghanistan, Jemen und in den Straßen der USA zu sprechen und gleichzeitig Drohnenkriege zu führen. Wir müssen dringend ein Verbot der Herstellung, des Verkaufs und der Verwendung bewaffneter Drohnen sowie ein Ende der militärischen und polizeilichen Drohnenüberwachung fordern.
Text von Brian Terrell, Friedensaktivist aus Maloy, Iowa, USA.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Silvia Sander vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!