Die Gewaltlosen kämpfen mit großer Hoffnung, doch sie brauchen unsere Unterstützung!
Vor mehr als 20 Jahren habe ich zum ersten Mal versucht, nach Myanmar zu reisen. 8 Jahre lang versuchte ich, ein Visum zu bekommen, bis es mir 2009 gelang. Meine erste Reise fiel mit einer demokratischen Öffnung Myanmars zusammen und fand im August 2009 statt. Es gab eine Menge internationale Aufmerksamkeit, weil zu dieser Zeit ein Prozess gegen Aung San Sui Kyi lief.
Ich hatte viele Sorgen und Gedanken vor meiner Abreise. „Was könnte ich die Menschen fragen?“ „Würde ich überwacht werden“. „Könnte ich die Reise geistig und emotional bewältigen“.
All meine westlichen Sorgen und meine Unwissenheit über die Bedingungen für die Menschen in Myanmar wurden in den Schatten gestellt, als ich in das Auto stieg, wo mein Reiseleiter auf mich wartete. Er begrüßte mich mit den folgenden Worten: „Hallo, mein Name ist Eric und jetzt werde ich dir erzählen, wie die Situation in diesem Land aussieht“. Sein Geist und sein Herz waren offen und sein Lächeln und Lachen waren wie die beste Lebenssymphonie.
Von diesem Moment an war ich diesem wunderschönen Land und seinen Menschen völlig verfallen. Meine Reise dauerte 3 Wochen und unterwegs begegnete ich einer menschlichen Wärme und Zuneigung, die ich zu diesem Zeitpunkt noch nie zuvor erlebt hatte. Jeden Tag begegnete ich Menschen, die mich wie einen guten Freund behandelt haben und zwar ohne dass ich mir dieser Tatsache voll bewusst war.
Deshalb ist es mir eine Herzensangelegenheit, meinen Freund:innen aus Myanmar zu helfen.
Wieder einmal sind diese wunderbaren Menschen der gleichen Unterdrückung ausgesetzt, die sie seit mehr als 50 Jahren plagt. Seit dem 1. Februar lässt das Militärregime mit brutalen Mitteln hinrichten, morden, vergewaltigen und foltern. All dies findet auf der Straße oder in den Häusern der Menschen statt.
Häuser, Geschäfte und Dörfer wurden in Brand gesteckt. Flugzeuge haben Bomben abgeworfen. Autos, Rikschas und Überwachungskameras wurden zerstört.
Mehr als 600 Menschen sind gestorben. Tausende sind inhaftiert worden und viel zu viele sind verschwunden, ohne dass ihre Familien und Freund:innen wissen, wo sie sind.
Ich habe Fotos und Videos von meinen Freund:innen erhalten, die mir brutal berichten, was passiert.
Leider hat die internationale Gemeinschaft nichts anderes getan, als die Situation zu verurteilen, wie ich und viele andere Weltbürger:innen es auch getan haben.
Wir kennen die Geschichte von 9/11, wo es für die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten kein Problem war, den Irak illegal anzugreifen und zu besetzen, mit der Erklärung, dass es darum ging, das irakische Volk vor der Unterdrückung durch Saddam Hussein zu schützen. Wir kennen die Geschichten von arabischen Männern, die ein Redaktionsbüro in Paris angriffen haben und sofort wurde in allen Massenmedien dieser Terrorismus deutlich als ein Angriff gegen die Weltbevölkerung verurteilt.
Was seit 2 Monaten in Myanmar vor sich geht und was noch lange andauern wird, ist „Staatsterrorismus“.
Fast alle Länder der Welt haben sich verpflichtet, die UN-Menschenrechte einzuhalten. Es wurden Konventionen geschaffen, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Es gibt internationale Aktionsprogramme, die rechtlich eingeleitet werden können, wenn ein Volk und / oder eine Minderheit der Verfolgung und Ausrottung ausgesetzt ist.
Myanmar als Land ist eine Minderheit im Vergleich zum Rest der Welt und muss daher geschützt werden.
Wenn die mächtigen Führer:innen und Organisationen der Welt nicht helfen, kann es nur daran liegen, dass die Mächtigsten besondere wirtschaftliche Interessen haben, die zu eng mit dem Militärregime in Myanmar verbunden sind. Dies wiederum kann am Öl liegen. Aber der Hauptgrund für den Mangel an Hilfe ist, dass die Mächtigen der Welt sich nicht als Schwestern und Brüder des Volkes von Myanmar fühlen. Ich hingegen schon.
Und wieder einmal ist es wichtig, dass die Weltbevölkerung die Straßen besetzt und unsere Solidarität und unseren zivilen Ungehorsam zur Unterstützung des Volkes von Myanmar zeigt. Jede zusammenhängende Aktion ist der kleine keimende Samen der Hoffnung, der auch zum Wohle anderer unterdrückter Schwestern und Brüder geboren wird und wächst.
In der westlichen Welt wird behauptet, dass wir nicht unterdrückt sind! Wir werden zwar nicht mit einer Pistole am Kopf bedrängt, aber dafür sind wir zutiefst süchtig nach Mode, Unterhaltung, Sport, Alkohol, Kokain, Haschisch, ungesundem Essen, dem Wetterbericht und lügenden Politiker:innen.
Vor etwa 50 Jahren habe ich im Fernsehen die Kriege in Vietnam und Kambodscha miterlebt und seitdem weiß ich, dass ich eines Tages den Menschen in dieser Region wieder helfen muss.
Tief in meinem Herzen sagt mir meine Seele, dass ich Frieden und Gerechtigkeit für die Menschen in Myanmar will – für alle Menschen, die heute unter jeder Art von Gewalt und Diskriminierung leiden.
Der Kampf für eine gewaltfreie und friedliche, universelle Welt ist im Gange.
Zum Schluss und wichtiger als meine Worte möchte ich, dass ihr diese Botschaft von einem meiner Freund:innen lest und versteht:
An alle meine ausländischen Freund:innen, einige von euch denken vielleicht, dass wir in Myanmar sehr sensibel und sehr emotional sind, gerade wegen des Militärputsches. Aber was ihr wisst, ist nur oberflächlich. Die folgende Aufzählung ist eine Zusammenfassung dessen, was gerade wirklich in Myanmar passiert:
- Wenn jemand in der Nacht lebendig verhaftet wurde, wird am nächsten Morgen nur der tote Körper zurückgebracht.
- Wenn du medizinisches Personal bist und verletzten Demonstranten hilfst, dann wirst du verhaftet und gefoltert oder getötet.
- Es spielt keine Rolle, ob du zu Hause bleibst oder auf die Straße gehst, um zu protestieren, du kannst jederzeit und ohne Grund getötet werden.
- Es spielt keine Rolle, ob du eine Frau, eine Frau mit einem Kind oder ein kleines Kind bist, du kannst jederzeit ohne Grund getötet werden.
- Auch wenn du nicht protestierst, kannst du jederzeit und überall (Tag oder Nacht) geschlagen und gefoltert werden.
Myanmar ist kein Kriegsgebiet. Krieg bedeutet, dass alle Parteien Waffen haben. Aber wir, das Volk von Myanmar, haben keine Waffen und kämpfen gegen eine voll bewaffnete, brutale Armee.
Text von Claus Kiaer, die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Anita Köbler vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!