Nach mehr als 40 Tagen des Wartens hat die Nationale Wahlbehörde in einer virtuellen Zeremonie am Abend des 19. Juli Pedro Castillo und Dina Boluarte von der Partei Peru Libre offiziell zu Siegern der Präsidentschaftswahl vom 6. Juni erklärt. Boluarte wird das Amt der Vizepräsidentin übernehmen; der 51-jährige Lehrer und Gewerkschaftsführer Castillo wird am 28. Juli, dem 200. Jahrestag der peruanischen Unabhängigkeit, im Rahmen einer feierlichen Zeremonie Schärpe und Zepter aus der Hand des derzeitigen Präsidenten Francisco Sagasti erhalten.
Castillo: „Lasst uns als Volk zusammenfinden“
Minuten nach der Proklamation durch die Mitglieder der Wahlbehörde richtete der neue Präsident eine Botschaft an die Bürger*innen am Paseo Colón im Zentrum Limas. „Compañeros und Brüder dieser Partei aus dem tiefsten Inneren Perus, mein Dank geht an euch, liebe Landsleute, an alle Peruaner, die heute Abend hier sind, und an all‘ jene, die sich außerhalb unserer Landesgrenzen befinden“, begann Castillo seine Rede. Angesichts der enormen innenpolitischen Spannungen rief der künftige Präsident zur Einheit auf und wandte sich an die politischen Parteien, die am Wahlkampf teilgenommen hatten. „Lasst uns die zweihundertjährige Geschichte unseres Landes gemeinsam würdigen ‑ mit all‘ unserer Unterschiedlichkeit, unseren Schwierigkeiten und Erfahrungen. Lasst uns als Volk zusammenfinden und geeint die nächsten zweihundert Jahre beginnen“, so Castillo.
Fujimori: „Die Wahrheit wird so oder so herauskommen“
Am Nachmittag hatte die Wahlbehörde auf ihrem Twitter-Account mitgeteilt, dass sie die letzten fünf Einsprüche der rechtlichen Vertretung der rechten Partei Fuerza Popular der Kandidatin Keiko Fujimori für erledigt erklärt habe und nun sich auf den Verkündungsakt vorbereite. Fujimori hatte bei den Wahlen 44.200 Stimmen weniger erhalten als ihr Gegenkandidat. Stunden vor der Verkündung der Wahlbehörde, die nicht angefochten werden kann, hatte Fujimori eine Pressekonferenz einberufen und verkündet, sie werde das Ergebnis anerkennen, „weil es das Gesetz und die Verfassung, die zu verteidigen ich geschworen habe, so vorschreiben.“ Dennoch beharrte sie auf ihrer unbewiesenen Theorie des Wahlbetrugs und ergänzte: „Die Wahrheit wird so oder so herauskommen“. In der Tageszeitung La Republica aus Lima wird Fujimori folgendermaßen zitiert: „Meine Partei hat alle zulässigen Rechtsmittel ausgeschöpft. Inzwischen haben die Peruaner selbst gesehen, dass Peru Libre uns am Wahltag Tausende von Stimmen gestohlen hat. Mit der illegitimen Ernennung von Pedro Castillo wurde die Verteidigung der Demokratie nicht beendet, im Gegenteil: Sie hat gerade erst begonnen“, so die Kandidatin des rechten Flügels. Ihre Anhänger*innen forderte sie auf, weiter zu demonstrieren, jedoch nicht gewalttätig oder durch Angriffe auf öffentliche Beamte. Erst eine Woche zuvor waren zwei Minister und einige Journalisten von militanten Fujimori-Anhängern attackiert worden.