Am 10. Oktober 2021 findet der 19. Welttag gegen die Todesstrafe statt, der den Auswirkungen der Todesstrafe auf Frauen gewidmet ist. Ein neuer Bericht von Amnesty International zeigt besorgniserregende Trends auf, wonach Frauen wegen bestimmter Straftaten unverhältnismässig häufig in der Todeszelle sitzen und mit zusätzlichen Herausforderungen aufgrund unfairer Gerichtsprozesse konfrontiert sind.
Im Vorfeld des Internationalen Tages gegen die Todesstrafe am 10. Oktober rückt Amnesty International zum Tode verurteilte Frauen in den Fokus: Ein neuer Bericht zeigt auf, dass einige Frauen, die zum Tode verurteilt wurden, vor der Begehung des Verbrechens nicht wirksam vor geschlechtsspezifischer Gewalt und anderen Formen der Diskriminierung geschützt waren. Viele von ihnen haben lange körperliche und sexualisierte Gewalt erlebt. Oftmals hat der Missbrauch die Straftat ausgelöst, für welche die Betroffenen zum Tode verurteilt wurden.
«Viele Frauen wurden in unfairen Prozessen zum Tode verurteilt, bei denen oft weder verfahrensrechtliche Garantien eingehalten noch mildernde Umstände wie langjähriger Missbrauch, Gewalt und sexuelle Übergriffe berücksichtigt wurden», sagte Rajat Khosla, Direktor für Research, Advocacy and Policy bei Amnesty International.
«Mit der Verurteilung dieser Frauen zum Tode halten die Justizsysteme weltweit nicht nur an einer abscheulichen und grausamen Strafe fest, sondern sie lassen die Frauen auch den Preis für das Behördenversagen im Kampf gegen Diskriminierung bezahlen. Da es bei der Anwendung der Todesstrafe keine Transparenz gibt, sind die uns bekannten Fälle wohl nur die Spitze des Eisbergs.»
In vielen Fällen versäumten es die Behörden zu reagieren, wenn diskriminierende Praktiken angewandt wurden. Statt diese zu beenden, entstand so vielmehr eine Kultur des Missbrauchs, der zahleiche der im Todestrakt festgehaltenen Frauen ausgesetzt waren.
Todesstrafe für Opfer von häuslicher Gewalt
Noura Hussein Hamad Daoud aus dem Sudan etwa wurde im April 2017 für den Mord an dem Mann, den sie im Alter von 16 Jahren heiraten musste, zum Tode verurteilt. Drei Jahre nach der Zwangsheirat war sie gezwungen worden, in dessen Haus zu ziehen. Dort schlugen sie der Mann, zwei seiner Brüder und ein männlicher Cousin brutal. Sie wurde festgehalten, während ihr Mann sie vergewaltigte. Am folgenden Tag versuchte er erneut, sie zu vergewaltigen, aber Noura Hussein gelang es, in die Küche zu fliehen, wo sie sich ein Messer schnappte. Bei dem darauffolgenden Handgemenge erlitt der Mann tödliche Wunden. Da das Gericht Vergewaltigung in der Ehe nicht als Straftat anerkannte, wurde Noura Hussein wegen Mordes zum Tode verurteilt. Amnesty International setzte sich zusammen mit anderen Organisationen für Noura Hussein Hamad Daoud ein, und schliesslich wurde ihr Todesurteil in eine Haftstrafe umgewandelt. Andere kamen jedoch nicht so gut davon.
Im Jahr 2018 dokumentierte Amnesty International die Hinrichtung der Kurdin Zeinab Sekaanvand im Iran. Sie war noch ein Kind, als sie verheiratet wurde, und musste jahrelang sexualisierte Gewalt durch ihren Ehemann und ihren Schwager erdulden. Mit 17 Jahren wurde sie wegen Mordes an ihrem Ehemann festgenommen und in einem Gerichtsverfahren verurteilt, das bei Weitem nicht den internationalen Standards für faire Verfahren entsprach. Zeinab Sekaanvand wurde am 2. Oktober 2018 im Gefängnis von Urumieh in der iranischen Provinz West-Aserbaidschan hingerichtet.
In einigen Ländern, darunter Ghana, konnten einige angeklagte Frauen die von ihnen erlebte geschlechtsspezifische Gewalt und Diskriminierung in den Gerichtsverfahren gegen sie nicht als mildernde Umstände geltend machen, da dort für bestimmte Straftaten – wie beispielsweise Mord – die Todesstrafe ohnehin obligatorisch ist. In Malaysia wurde die überwältigende Mehrheit der Frauen im Todestrakt, insbesondere Ausländerinnen, wegen Drogenhandel verurteilt – der dort mit der Todesstrafe geahndet wird.
Bis Ende des letzten Jahres hatten 108 Länder die Todesstrafe vollständig abgeschafft. «Glücklicherweise entfernt sich die Welt von der Ansicht, dass Staaten die Macht haben dürfen, das Recht auf Leben zu verletzen. Aber solange nicht alle Länder nachziehen, werden wir nicht aufhören, uns für die Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen. Gemeinsam können wir es schaffen, dass diese grausame Strafe für immer in den Geschichtsbüchern verschwindet», sagte Rajat Khosla.