Eine Änderung der Definition von Kleinbauern durch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO (Food and Agricultural Organisation) führt dazu, dass deren Anteil an der weltweiten Nahrungsmittelproduktion nunmehr um ein Vielfaches geringer erscheint als zuvor. Zivilgesellschaftliche Organisationen und Vertreter von Kleinbauern sehen darin eine große Gefahr, die zu einem Politikwechsel hin zu mehr Unterstützung für industrielle Großbetriebe führen könnte. Die Folge wären Zerstörung traditioneller regionaler und lokaler kleinbäuerlicher Strukturen, obwohl gerade diese enorm zur Welternährung beitragen.
Kleinbauern ernähren die Welt zu 70%
Seit vielen Jahren herrschte relative Übereinstimmung darüber, dass Kleinbauern und Familienbetriebe in etwa 70% aller Nahrungsmittel weltweit erzeugen, die industrielle Landwirtschaft hingegen nur 30%, wobei letztere aber für die Mehrheit der Umweltschäden verantwortlich ist, allen voran die Fleisch- und Milchindustrie, da sie im Gegensatz zu Kleinbauern nicht ökologisch und regional, sondern ökonomisch und global wirtschaftet. Der Löwenanteil der Welternährung wird durch kleinbäuerliche Familienbetriebe geleistet und selbst die FAO ging von diesem Anteil aus, den sie in ihrem Bericht von 2014 sogar mit 80% bezifferte (siehe Pressemitteilung vom Oktober 2014).
Kleinbauern, vor allem im globalen Süden, auf dem afrikanischen und asiatischen Kontinent, aber auch in Teilen Lateinamerikas, produzieren hauptsächlich für lokale und regionale Märkte. Sie haben oft weniger technische Mittel zur Verfügung, schaffen dafür aber lokale Arbeitsplätze und tragen somit erheblich zur Existenzsicherung in ländlichen Gegenden bei. Zudem arbeiten sie mit traditionellen und regenerativen Anbaumethoden, setzen weniger Pestizide und Gentechnik ein und legen mehr Wert auf das ökologische Gleichgewicht, indem sie Biodiversität kultivieren und Monokultur meiden. Kurz, sie arbeiten mit und nicht gegen die Natur, produzieren nährstoffreichere Nahrung als die Agrarindustrie und schonen zudem Ressourcen und Klima, schon allein durch kürzere Transportwege und weniger Verpackung.
Übereinstimmung über die Wichtigkeit von Kleinbauern
Daher war man sich bisher auch darüber einig, sowohl bei der FAO als auch bei anderen Organisationen der Vereinten Nationen wie dem Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung IFAD, dass Kleinbauern das Rückgrat der Welternährung bilden und entsprechend unterstützt werden sollten. So riefen die Vereinten Nationen auch für 2019 bis 2028 die „Dekade der Bäuerlichen Familienbetriebe“ aus. Selbst Dr. Martin Frick, Leiter des Berliner Büros des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP), bestätigte kürzlich in einem Interview mit der Heinrich-Böll-Stiftung zu den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die globale Ernährungssicherheit: „Lokale Märkte spielen eine ganz wesentliche Rolle, denn 80% der Welternährung wird immer noch von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern produziert. Wenn wir Klimagerechtigkeit ernst nehmen, dann müssen wir zuallererst Kleinbäuerinnen und Kleinbauern unterstützen. Die Covid-Krise und die Schockwellen des Ukraine-Konflikts zeigen, dass wir resiliente lokalisierte Nahrungsmittelsysteme brauchen.“
Die Kehrtwende der FAO
Doch es scheint, dass die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO vor kurzem einen Kurswechsel vollzogen hat. Laut ihrem neuesten Bericht von 2021 sollen Kleinbauern und Familienbetriebe plötzlich nur noch 30% der weltweiten Nahrungsmittel produzieren. Das ist eine beachtliche Kehrtwende, die nicht mit veränderten Bedingungen oder strukturellen Veränderungen in der Landwirtschaft zu erklären ist, sondern mit einer geänderten Definition des Begriffs „Kleinbauern“.
So wurde nun von der FAO festgelegt, dass ein Betrieb nur noch als „kleinbäuerlich“ (engl. „small farm“) gilt, wenn er auf einer Fläche von weniger als 2 Hektar wirtschaftet. Das ist problematisch, weil es weder geographische Gegebenheiten, noch die Art der landwirtschaftlichen Produktion oder andere Faktoren berücksichtigt. So kann zum Beispiel „ein 25 Hektar großer Zuckerrohrfarmer in Ruanda als Großbauer angesehen werden, während ein Landwirt, der in Brasilien auf 200 Hektar Zuckerrohr anbaut, im lokalen Vergleich als Kleinbauer gilt“, wie der Artikel „Was sind eigentlich Kleinbauern?“ von Thomas Beutler auf der Webseite „2000m2“ der Zukunftsstiftung Landwirtschaft erklärt.
Vom Nährwert zum Marktwert – verschobene Prioritäten?
Neben der Änderung des Flächengröße für die Definition von Kleinbauern, durch die nun viele durchs Raster fallen und schlicht nicht mehr gezählt werden, zeichnet sich noch eine weitere Kursänderung ab: Der neue Bericht misst die Produktivität von Kleinbauern am kommerziellen Marktwert anstatt am realen Verbrauch. Hierdurch wird die Leistung der Kleinbauern, Familien und Gemeinden auch ohne Gegenleistung oder außerhalb erfassbarer kommerzieller Märkte zu ernähren, außer Acht gelassen. Auch die oftmals während der Erntewochen abgegebenen Überschüsse an Bedürftige sind für die Hungerbekämpfung gerade in armen Ländern von großer Bedeutung. Diese neue Art der Produktivitätsmessung lässt Kleinbauern „ineffizienter“ erscheinen, als sie es tatsächlich sind. Andererseits werden die durch industrielle Landwirtschaft entstehende Überschussproduktion sowie Lebensmittelverschwendung beim Bemessen der Produktivität der Agrarindustrie nicht von deren Produktivität abgezogen. Es zeichnet sich klar ein Kurswechsel ab, in dem man nun mehr Fokus auf kommerzielle Erfassbarkeit legt und weniger auf die tatsächliche Hungerbekämpfung.
Offener Brief
Als Reaktion auf die Kehrtwende der FAO haben nun acht zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich mit Landwirtschaft, Rechten von Kleinbauern und Ernährungssouveränität, also dem Recht der Menschen und souveränen Staaten, auf demokratische Weise ihre eigene Agrar- und Ernährungspolitik zu bestimmen, seit Jahren auseinandersetzen, einen Offenen Brief an den Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO geschrieben, die Teil der Vereinten Nationen ist und somit eine gesellschaftliche Verpflichtung zur Publikation verlässlicher Daten hat.
Im Offenen Brief an die FAO, den wir untenstehend auf deutsch publizieren, wird um Stellungnahme und um Klärung der Zahlen und Daten gebeten, da dies nicht unerhebliche politische Auswirkungen haben könnte. Abgesehen vom Angriff auf die Rechte von Kleinbauern, die ohnehin bereits durch agrarindustrielle Expansion, Klimawandel und Landgrabbing bedroht sind, sehen die unterzeichnenden Organisationen darin einen Freischein, in Zukunft weniger Förderung und Unterstützung für Kleinbauern und Familienbetriebe vorzusehen und diese stattdessen in die profitorientierte Agrarindustrie fließen zu lassen, wie es sogar in einer der zwei Studien empfohlen wird, auf denen der neue FAO-Bericht gründet. Das könnte für die globale Hungerbekämpfung fatale Folgen haben, denn nur weil sich Definitionen und Zählweisen ändern, ändert dies nichts an der Tatsache, dass immer noch hauptsächlich Kleinbauern die Welt ernähren, und dies auch produktiver und in einer für die Umwelt zuträglicheren Weise tun als die Agrarindustrie.
Gefährlicher Trend
Es scheint sich ein gefährlicher Trend bei den Vereinen Nationen abzuzeichnen. Im Herbst letzten Jahres fand der UN-Ernährungsgipfel 2021 statt, der von vielen kleinbäuerlichen und indigenen Organisationen, vertreten durch das Bündnis „Civil Society and Indigenous Peoples’ Mechanism for relations with the United Nations Committee on World Food Security“ mit über 300 Millionen Mitgliedern aus 500 zivilgesellschaftlichen Gruppen, boykottiert wurde. Sie beklagten die „Entführung“ des Gipfels durch die Partnerschaft mit dem World Economic Forum und organisierten einen Gegengipfel, um der Enttäuschung Ausdruck zu verleihen, dass die Stimmen der vielen Kleinbauern weltweit nicht gehört wurden, während die großen transnationalen Agrar- und Lebensmittelkonzerne überproportional vertreten waren. Wie zahlreiche soziale Bewegungen und zivilgesellschaftliche Organisationen berichteten, die sich seit Jahren für eine agrarökologische und menschenrechtsbasierte Transformation der bestehenden Ernährungssysteme aussprechen, ist der UN-Ernährungsgipfel zu einer Industrieveranstaltung verkommen.
Nachdem rund 500 Millionen kleinbäuerliche Familienbetriebe weltweit somit in ihrer Existenz bedroht wären, ist das bereits Grund genug, den Kurswechsel der FAO höchst kritisch zu sehen. Da wir hier aber von nichts Geringerem als der Welternährung sprechen, und die Zahl der hungernden Menschen steigt – trotz groß aufgelegter Ernährungsprogramme wie der Grünen Revolution für Afrika (AGRA), finanziert durch sogenannte philanthropische Stiftungen, die dazu führten, dass heute in Afrika mehr Menschen hungern als zuvor, und die somit kläglich gescheitert sind, gilt es hier, ganz genau hinzusehen.
Lokale Strukturen für globale Lösungen
Es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Weise die FAO auf den Offenen Brief reagieren wird. Wenn sie es aber wirklich ernst damit meint, den globalen Welthunger bekämpfen zu wollen und auch die UN-Nachhaltigkeitsziele einzuhalten, so führt kein Weg daran vorbei, Kleinbauern, die im übrigen zu einem nicht unerheblichen Anteil aus Frauen bestehen, mit ihren sozialen Netzwerken und lokalen Strukturen zu unterstützen und zu stärken, anstatt sie aus dem Diskurs herausfallen zu lassen. Die Lösung für den Welthunger liegt in der gerechten Verteilung von Ressourcen und Kleinbauern streben nicht nach maximalem Profit, sondern nach dem Erhalt ihrer lokalen und regionalen Gemeinschaften, von denen sie ein wichtiger Teil sind, und zu denen auch eine intakte Natur zählt, von der sie leben. Wie bereits von Vandana Shiva in ihrem Buch „Wer ernährt die Welt wirklich? – Das Versagen der Agrarindustrie und die notwendige Wende zur Agrarökologie“ ausführlich beschrieben, sind Kleinbauern, vor allem Kleinbäuerinnen, die wahren Ernährer, Erzeuger von gesunden Lebensmitteln, Hüter der natürlichen Ressourcen wie Boden, Wasser und freiem Saatgut, Erhalter von Biodiversität und Artenreichtum und nicht zuletzt auch Klimaschützer.
* * *
1. Februar 2022
Dr. QU Dongyu
Director-General
Food and Agriculture Organization of the United Nations
Viale delle Terme di Caracalla
00153 Rome, Italy
Sehr geehrter Herr Dr. QU,
Betreff: FAO-Verwirrung über die Rolle von Kleinbauern bei der Deckung des Nahrungsmittelbedarfs der Weltbevölkerung
Ein aktueller Bericht der FAO offenbart Widersprüche in Bezug auf den Beitrag von Kleinbauern zur Welternährungssicherheit. So ist unklar, was die FAO unter einem Kleinbauern oder einem kleinen Familienbetrieb versteht, welche Landgröße, wenn überhaupt, einen kleinen Betrieb ausmacht, wie wichtig die Unterscheidung zwischen Nahrungsmittelproduktion und -verbrauch ist, was der Unterschied zwischen Marktwert und Nährwert ist und wie die industrielle Nahrungsmittelkette immer wieder versagt. Die unklare Definition der FAO trägt in Verbindung mit einigen anderen Dokumenten (1) dazu bei, dass in der Öffentlichkeit der falsche Eindruck entsteht, dass Kleinbauern nur ein Drittel der weltweiten Nahrungsmittel produzieren (2), während die Unterzeichner zu dem Schluss kommen, dass Kleinbauern die wichtigsten Nahrungsmittellieferanten für mindestens 70 % der Weltbevölkerung sind (3).
Die Daten und politischen Annahmen in der FAO-Veröffentlichung vom Juni 2021 (Welche Landwirtschaftsbetriebe ernähren die Welt und ist Ackerland weiter konzentriert worden?) offenbaren wichtige Widersprüche, die Klärung bedürfen.
Der Bericht von 2021 beabsichtigt, die Verwirrung zu beseitigen, die durch ein FAO-Papier aus dem Jahr 2014 (4) entstanden ist, das nahelegte, dass 80 % der weltweiten Nahrungsmittel von Familienbetrieben erzeugt werden, indem nun eine Definition von kleinen Familienbetrieben verwendet wird, die im Widerspruch zu der von der FAO und IFAD lancierten UN-Dekade der Bäuerlichen Familienbetriebe (2019 – 2028) steht. Die FAO-IFAD-Definition von bäuerlichen Familienbetrieben umfasst „Modelle in der Land-, Fischerei-, Forst-, Weide- und Aquakulturwirtschaft und schließt Kleinbauern, indigene Völker, traditionelle Gemeinschaften, Fischer, Bergbauern, Waldnutzer sowie kleine Viehzüchter und Hirten mit ein.“ (5) Diese Definition ähnelt dem, was wir als kleinbäuerliche Produktion bezeichnen würden, obwohl wir auch urbane und stadtnahe Nahrungsmittelproduktion mit einschließen. Überraschenderweise beschränkt die FAO-Publikation von 2021 nun Kleinbetriebe auf den Anbau von Feldfrüchten und einige mit Viehhaltung auf dem Hof (6). Durch diese einseitige Einschränkung der Vielfalt der bäuerlichen Produktionssysteme und dem Bestehen darauf, dass kleinbäuerliche Betriebe nur weniger als 2 Hektar groß sein dürfen, kommt die Studie 2021 zu dem Schluss, dass Kleinbauern 35 % der weltweiten Nahrungsmittel auf 12 % des Ackerlands erzeugen (7).
Die willkürliche Begrenzung durch den Bericht auf 2 Hektar steht im Widerspruch zu den Schlussfolgerungen des Chefstatistikers der FAO, der auf der Grundlage einer Konsultation aus dem Jahr 2018, an der mehr als 50 Staaten teilnahmen, einen universellen Schwellenwert für Landbesitz ablehnte und stattdessen eine Reihe von relativen Maßstäben aufstellte, um kleine landwirtschaftliche Betriebe von Land zu Land unterschiedlich zu definieren (8).
Wir bekräftigen das Recht der Kleinbauern, sich selbst zu identifizieren, und stellen zudem fest, dass national definierte Beschreibungen von Kleinbetrieben im Durchschnitt 5 Hektar oder etwa 25 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche ausmachen (9), und kommen – zusammen mit anderen im FAO-Bericht von 2021 zitierten Studien (10) – zu dem Schluss, dass die kleinbäuerlichen Betriebe der Welt etwa die Hälfte der weltweiten Nahrungsmittel produzieren. Das bedeutet, dass der Anteil der Kleinbauern an der weltweiten Nahrungsmittelproduktion auf etwa 70 % ansteigt, wenn die Standard FAO-IFAD-Definition (d.h. einschließlich handwerklicher Fischer, urbaner Produzenten, Jäger und Sammler sowie kleine Viehzüchter und Hirten) angewandt wird (11).
Außerdem misst der FAO-Bericht von 2021 Produktivität anhand des „Wertes“, was vermutlich, obwohl nicht näher definiert, der Marktwert ist (12). Das ist unrealistisch. Obwohl Kleinbauern routinemäßig auf dem Markt verkaufen, ernähren sie ihre Familien und Gemeinschaften auch außerhalb der kommerziellen Märkte. Auch der Wert von „Hungernahrung“ oder „wenig genutzten“ Lebensmitteln, die in den Wochen vor der Ernte (und erst recht in unserem künftigen Klima) lebenswichtig sind, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Bauernfamilien bauen auch nährstoffreiche Lebensmittel an, die nicht auf dem Markt erhältlich oder erschwinglich sind (13).
Abgesehen von der Verwirrung um den Wert sind wir nicht damit einverstanden, dass der Schwerpunkt des Berichts auf der Lebensmittelproduktion und nicht auf deren Verbrauch liegt. Die Lebensmittelverluste und -verschwendung im industriellen Sektor – einschließlich der absichtlichen Überproduktion (14) (und des Überkonsums) (15) – werden im Bericht trotz ihrer Marktrelevanz nicht behandelt. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass Kleinbauern nicht nur einen Großteil der weltweiten Nahrungsmittel anbauen, sondern auch wesentlich erfolgreicher darin sind, den Nahrungsmittelbedarf von Menschen in unsicheren Lebensverhältnissen zu decken.
Wir sind überrascht, dass die jüngste Veröffentlichung der FAO ihre eigene seit langem vertretene Ansicht untergräbt, dass kleine Betriebe produktiver sind als große (16). Obwohl sie nur 12 % des Landes bewirtschaften, wird im Bericht von 2021 eingeräumt, dass kleine Betriebe (unter 2 Hektar) 35 % der Nahrungsmittel produzieren – was suggeriert, dass kleine Betriebe fast dreimal produktiver sein müssten. Trotzdem erklären sich die Autoren in Bezug auf die Produktivität kleiner landwirtschaftlicher Betriebe für neutral.
In dem FAO-Papier von 2021 wird auch argumentiert, dass Großbetriebe mindestens 70 % der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzfläche beanspruchen und von den politischen Entscheidungsträgern unverhältnismäßig weniger Aufmerksamkeit erhielten als kleine Betriebe. Die Studie drängt darauf, größeren Produktionssystemen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, um den künftigen globalen Nahrungsmittelbedarf zu decken (17). Es werden keine Daten vorgelegt, die eine politische Bevorzugung von Kleinbauern begründen.
Nichtsdestotrotz hat die Studie in einem Punkt Recht – nur nicht in dem, den sie vermitteln will. Politische Entscheidungsträger müssen verstehen, warum die industrielle Nahrungsmittelkette so wenig Nahrungsmittel produziert, während sie den größten Teil der landwirtschaftlichen Flächen und Ressourcen der Welt verbraucht. Politische Entscheidungsträger sollten sich fragen, warum sie enorme kommerzielle Subventionen, Land und andere Anreize in ein industrielles System investieren, das so viel Macht und Profitabilität hat und unserer Umwelt und Ernährungssicherheit so stark schadet (18).
Wie in vielen Studien eingeräumt wird, sind die Schätzungen aufgrund lückenhafter und unzuverlässiger Daten und der Tatsache, dass man sich auf Daten stützt, die ein Vierteljahrhundert alt sind, nur ungefähr (19). Dennoch gibt es überzeugende Beweise dafür, dass die kleinbäuerliche und außerlandwirtschaftliche kleinbäuerliche Produktion für mindestens 70 % der Weltbevölkerung absolut lebenswichtig ist. Der FAO-Bericht von 2021 stellt diese 70 %-Schätzung eher durch Schlussfolgerungen als durch Statistiken in Frage und riskiert auch hier, politische Entscheidungsträger in die Irre zu führen und die Prioritäten zu verzerren. Wir würden es begrüßen, wenn wir in naher Zukunft die Gelegenheit bekämen, unsere politischen und Daten-bezogenen Differenzen zu diskutieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die internationale Gemeinschaft von weniger Verwirrung und mehr gemeinsamer Forschung und Klarheit seitens der FAO profitieren würde. Es gibt nur wenige Themen, die wichtiger sind als die Frage, welches System – die Agrarindustrie, die mehr als 70 % der landwirtschaftlichen Ressourcen verbraucht und nur 30 % der Menschen versorgt, oder die Ernährungssouveränität, die bereits 70 % der Menschen mit weniger als einem Drittel der landwirtschaftlichen Ressourcen ernährt (20) – am besten dazu in der Lage ist, den enormen Herausforderungen der Ernährungssysteme des 21. Jahrhunderts zu begegnen.
Wir freuen uns auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen,
Alliance for Food Sovereignty in Africa
A Growing Culture
ETC Group
GRAIN
Groundswell International
Institute for Agriculture and Trade Policy
Landworkers Alliance
The Oakland Institute
(1) Namely: Ricciardi et al. (2018), “How much of the world’s food do smallholders produce?”, Global Food Security 17, 64-72.
(2) FAO 2021 report: Lowder et al (2021) « Which farms feed the world and has farmland become more concentrated?”, World Development, 142, p.1.
(3) ETC Group (2017), “With climate chaos: Who will feed us?”, 3rd Edition, p. 6. Available online at: https://www.etcgroup.org/sites/www.etcgroup.org/files/files/etc-whowillfeedus-english-webshare.pdf
(4) FAO (2014), The State of Food and Agriculture, p. xi, Rome. Available online at: https://www.fao.org/3/i4040e/i4040e.pdf
(5) FAO and IFAD (2019), The United Nations Decade of Family Farming 2019-2028. Global Action Plan, p.8. Rome.
(6) The FAO 2021 uses the definition for smallholder from Ricciardi et al. (2018), “How much of the world’s food do smallholders produce?”, Global Food Security 17, 64-72.
(7) FAO 2021 report: Lowder et al (2021) « Which farms feed the world and has farmland become more concentrated?”, World Development, 142, p.1.
(8) FAO (2018) “Proposed International Definition of Small-scale Food Producers -Monitoring the Sustainable Development Goal Indicators 2.3.1 and 2.3.2.”, Rome. Available online at: unstats.un.org/unsd/statcom/49th-session/documents/BG-Item3j-small-scale-food-producers-definitionFAO-E.pdf
(9) GRAIN, “Hungry for land: Small farmers feed the world with less than a quarter of all farmland”, May 2014. Available online at: https://grain.org/article/entries/4929-hungry-for-land-small-farmers-feed-the-world-with-less-than-a-quarter-of-all-farmland
(10) FAO (2021), p.6 references: Graeub (2016), The state of family farms in the world, World Development, 87, pp. 15. Ricciardi et al. (2018), “How much of the world’s food do smallholders produce?”, Global Food Security 17, 64-72. When the smallholder definition is increased to 5 ha as per some country definition, the Ricciardi et al. (2018) paper reaches the conclusion that small holder farmers provide 44 to 48% food calories.
(11) ETC Group (2017), “With climate chaos: Who will feed us?”, 3rd Edition, p. 6. Available online at: https://www.etcgroup.org/sites/www.etcgroup.org/files/files/etc-whowillfeedus-english-webshare.pdf
(13) Danny Hunter, Stefano Padulosi, E.D. Israel Oliver King, M. S. Swaminathan, Orphan Crops for Sustainable Food and Nutrition Security, Earthscan, 2022.
(14) Chapter 2 “Loss and waste Are we really measuring a problem?” by Elise Golan, Travis Minor, and Suzanne Thornsbury in Suzanne Thornsbury, Ashok K. Mishra (editors), Travis Minor, The Economics of Food Loss in the Produce Industry, Routledge, 2020.
(15) ETC Group (2017), “With climate chaos: Who will feed us?”, 3rd Edition, pp.16. Available online at: https://www.etcgroup.org/sites/www.etcgroup.org/files/files/etc-whowillfeedus-english-webshare.pdf
(16) “FAO’s analysis of the household survey data supports the inverse productivity hypothesis, as smaller farms appear to have higher yields for selected crops than larger family farms (Figure 6)” FAO (2014), The State of Food and Agriculture, p. 17, Fig.6., Rome. Available online at: https://www.fao.org/3/i4040e/i4040e.pdf
(17), FAO 2021 report, Lowder et al. (2021), p.4: “However, to the extent that international organizations focus on what is happening at the lower end of the distribution, their attention may be diverted away from the state of medium and large scale farms which represent the vast majority of agricultural land. It would be difficult, if not impossible, to have an unbiased picture of the state of large scale and corporate agriculture if international organizations focus only on smallholders and small farms.”
(18) ETC Group (2017), “With climate chaos: Who will feed us?”, 3rd Edition, p. 17 (4.Who is using up our agricultural resources?). Available online at: https://www.etcgroup.org/sites/www.etcgroup.org/files/files/etc-whowillfeedus-english-webshare.pdf
(19) OECD, “Overcoming Evidence Gaps on Food Systems”, OECD-Food, Agriculture and Fisheries. July 2021, nº163.
(20) ETC Group (2017), “With climate chaos: Who will feed us?”, 3rd Edition, p. 17 (4.Who is using up our agricultural resources?). Available online at: https://www.etcgroup.org/sites/www.etcgroup.org/files/files/etc-whowillfeedus-english-webshare.pdf
Hintergrund-Papier zum Offenen Brief