Die Ausstattung des Humboldt-Forums im früheren Berliner Kaiserschloss mit Kulturgütern aus ehemaligen Kolonien ruft Proteste hervor, die bis in die oberen Etagen der Gesellschaft endlich Unruhe auslösen. Ein Teil der Exponate wurde in der Kolonialzeit geraubt, erpresst oder zu unfairen Bedingungen nach Berlin gebracht. Deutschland war kein Einzelfall. Die Museen Londons, Madrids, Wien, Paris sind gleichfalls Zeugen von verbrecherischen Unrechtshandlungen.
Die Vertiefung der Analyse der historischen Abläufe deckt auf, dass nicht nur Museen Zeugnisse von Unrechtshandlungen bergen. Mehr noch: Der heutige materielle Reichtum der G7 Länder, vor allem der USA, hat Wurzeln in früheren Unrechtshandlungen mit militärischer Gewalt. Fruchtbares Acker- und Weideland, Bodenschätze, wie Erdöl, Erze, gingen in das Eigentum europäischer Herrscher oder deren Abkömmlinge über. Bodenflächen wurden als Bauland für Straßen, Eisenbahntrassen, Fabriken etc. zur Einnahmequelle des Staatshaushaltes neuer Herrscher. Um Entschädigung wird bis zur Gegenwart vor Gerichten gestritten. Nachkommen der ehemaligen Land- und Bodenbesitzer leben zum Teil noch in Reservaten und erhielten erst 1924 mit dem Snyder-Gesetz eine volle Anerkennung als Staatsbürger der USA.
Steuerzahlungen, die Hauptquelle des nationalen Fortschritts, mussten an die Herrscher Europas geleistet werden. Die Kolonialkriege waren mit religiösen Auseinandersetzungen verwoben. Fremde Religionen wurden als Teufelszeug betrachtet. So landeten beispielsweise 4000 Bücher (Codex) mit Hieroglyphen der Maya in den Flammen. Die heutige Welt kennt nur noch 3 unvollständige Exemplare, davon wird ein Buch im Tresorraum der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden aufbewahrt.
Für einen zu langen Zeitraum wurde das „Whitewashing“ zelebriert, beklagt der Künstler King Sunkoo in der Berliner Zeitung vom 26./27.3.2022. Der erste Teil seines Werkes „Statue of Limitations“ wurde im Humboldt-Forum aufgestellt. Eine geteilte Fahne symbolisiert die historische Verjährung des Völkermordes an der Nama und Herero.
Die vergangenen Jahrhunderte waren von kriegerischen Auseinandersetzungen aller Art in der Welt gekennzeichnet. Mit falschen Gründen wurden Kriegsausbrüche herbeigeführt (1. und 2. Weltkrieg, Vietnam, Irak u.a.).
Die globale Welt des 21. Jahrhunderts drängt auf geänderte Betrachtungen der Grundwerte. Die Masse der Bevölkerung lebte bisher nie im Garten Eden und hörte von Politik und Medien etwas von Werten der Égalité, Liberté und Fraternité. Menschenrechte sind universal, haben aber in Industriestaaten und Ländern der Dritten Welt eine je nach Stand der Entwicklung unterschiedliche Ausprägung.
Der bewaffnete Ukrainekonflikt entspricht nicht dem gängigen Muster von Kolonial- oder Rohstoffkriegen. Es ist ein Kampf der Systeme, um den Erhalt der Macht, mit Verteidigungscharakter auf beide Seiten. Ein „Ursachen – Wirkung“ Kampf, der in der Gegenwart mit der Gefahr eines Dritten Weltkrieges einhergeht. Alle Waffen müssen daher zum Schweigen kommen und abgezogen werden.
Gesellschafts- und Politikwissenschaftler haben beim Stand des Zerstörungspotentials der Waffen die dringende Aufgabe herauszufinden, wo die Ursachen des Ausbruches des bewaffneten Konflikts liegen. Politiker stehen in der Pflicht, aus der wissenschaftlichen Analyse Kompromisslösungen zu finden, um den Kampf mit Waffen durch diplomatische Vereinbarungen zu beenden. Jeder Tag zählt. An Schuldzuweisungen alten Musters fehlt es nicht, auch nicht an Sanktionsmaßnahmen als Strafen. Keine Seite will ihr Gesicht verlieren.
Sie vertiefen ein aktuelles Hauptproblem: Die amerikanisch-europäische Seite strebt nach ihrem Geschichtsverständnis stets einen Sieger an. Die russische eine weiterführende friedliche Koexistenz zum gegenseitigen Vorteil. Ein Konzept, dass in der globalen Zeit und in der gegenwärtigen Situation der Klimaänderung Entwicklungschancen für und mit allen bietet.
Die Geschichte kennt für Bemühungen den Ukrainekonfliktes zu beenden, vergleichbare Lösungsvarianten: Zum Ende des 2. Weltkrieges schlugen die USA zunächst mit dem Morgenthauplan die totale Auflösung des deutschen Staates vor. Nach Verhandlungen in Teheran, Jalta, Potsdam hatte sich die Anti-Hitler-Koalition auf den Vorschlag Stalins geeinigt, Deutschland als Ganzes zu erhalten, zunächst in Zonen unter der Leitung der Besatzungsmächte. In Berlin unterhielten alle 4 Mächte der Koalition bewaffnete Einheiten. Ein Kontrollrat sollte die Festlegungen des Potsdamer Abkommens überwachen. Österreich als Teil des Hitler Deutschlands erhielt einen Neutralitätsstatus mit bewaffneten Strukturen, die die innere Sicherheit gewährleisten sollten. Eine weiterführende Koexistenz zwischen den Streitseiten des 2. Weltkrieges war so gegeben. Unterschiedliche Gesellschaftssysteme bewirkten die Teilung Deutschlands. Im Mai 1949 Neugründung der BRD. Im Oktober 1949 Bildung der DDR.
Die Volksrepublik China entwickelte im Bürgerkrieg mit Tschiang Kai-schek, der sich auf die Insel Taiwan mit seinen Soldaten und der alten Regierung zurückgezogen hatte, einen Modus vivendi mit dem Konzept „Ein Land zwei Systeme“. Die unmittelbaren Kriegshandlungen wurden damit eingestellt. Über die Kronkolonie Hongkong hat China mit Großbritannien einen befristeten Pachtvertrag vereinbart, der die volle Souveränität Chinas bestätigte und weitere Schritte (z.B. Sicherheitsgesetze) festlegte.
In den 1960ziger Jahren wurden Systemspannungen (Berliner Mauer und Raketenkrise in Kuba) über diplomatische Verhandlungen beigelegt.
Der Krieg in Afghanistan und die noch ungeklärte Frage, wie es im Land weitergeht, brachte die Einschätzung der USA und der Nato, dass die repräsentative Demokratie mit Waffen nicht in einem Land eingeführt werden kann.
Die Gespräche der Konfliktparteien in Istanbul Ende März 2022 geben die Hoffnung für eine friedliche Lösung, auch wenn die Äußerungen von Präsident Biden am 26.3.2022 in Warschau alle Bemühungen um eine Lösung in Zweifel stellen.
Das Konzept der Koexistenz im Rahmen der Ukraine-Verhandlungen könnten Räume für friedliche Entwicklungen enthalten. Der Wettbewerb in kapitalistischen Systemen richtete sich bisher zumeist auf monetäre Ziele. Denkschemata waren darauf eingerichtet, dass das Geld alles schaffen wird. Eine irrige Annahme. Die wichtigsten Faktoren waren und sind Ideen, Wissenschaft, Pflichterfüllung, Bildung, vor allem die Arbeit, Rohstoffe, Energie, Fähigkeiten alles miteinander zum richtigen Zeitpunkt zusammenzuführen (bilanzieren).
Das 21. Jahrhundert erfordert ein humanes Neudenken. Der Wettbewerb braucht Zielstellungen und Faktoren, die der Gemeinschaft dienlich sind: Frieden, Nahrung, bezahlbare Wohnungen, Erholung, Kultur, Umfelder, die der jungen Generation Freude bereiten. Natürlich alles was den Fortschritt voran bringt und die Natur erhält.