Über die Osterfeiertage reiste eine Delegation von Assopace nach Palästina, um die besetzten Gebiete zu besuchen und sich mit palästinensischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und israelischen Pazifisten zu treffen. Zu dieser Reise und der aktuellen Situation in den blutigen Gebieten haben wir Luca Guzzetti, Mitglied der Delegation und Dozent für Kommunikationssoziologie an der Universität Genua, befragt.
Nachdem er sich lange Zeit mit der Soziologie von Wissenschaft und Technologie beschäftigt hatte, hat er in den letzten Jahren seine Forschung auf politische und kommunikative Phänomene ausgerichtet. Sein Hauptinteresse gilt der israelisch-palästinensischen Frage als Paradigma für zeitgenössische Konflikte.
Wer hat die Reise organisiert und wie hat sie stattgefunden?
Sie wurde von Assopace Palestina gefördert, der wichtigsten Vereinigung zur Unterstützung der palästinensischen Sache in Italien. Ihre „Seele“ ist Luisa Morgantini, die sich seit vielen Jahren mit dem Thema beschäftigt und schon als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments eine wichtige Rolle im israelisch-palästinensischen Konflikt gespielt hat. Die Reise dauerte acht Tage. Was mich betrifft, so war ich bereits in diesen Gebieten; das erste Mal war ich vor vier Jahren, drei Wochen dort mit einer israelischen Vereinigung namens „Komitee gegen die Zerstörung von Häusern“, und zwischen Weihnachten 2019 und Anfang Januar 2020, vor dem Ausbruch der Pandemie, machte ich einen zwölftägigen Besuch, wiederum mit Assopace. Während der ersten Reise wirkten wir auch an praktischen Aktivitäten wie dem Bau eines Gemeindezentrums im Jordantal und der Olivenernte mit, um den palästinensischen Bauern zu helfen, denn die Bedrohung durch israelische Siedler und ihre Überfälle und Aggressionen lauern ständig.
Bei dieser Gelegenheit trafen wir uns mit palästinensischen Vereinigungen, die in Israel, in Nazareth und Haifa vertreten sind – insbesondere mit der „Volksbewegung für gewaltfreien Widerstand“, die in den verschiedenen Gebieten sehr stark verwurzelt ist, aber auch mit Frauenvereinigungen. In Anbetracht der kurzen Dauer der Reise war es ein komplettes Eintauchen in die Materie, anspruchsvoll, aber äußerst interessant.
Ihr wart während der Osterfeiertage dort, als die Spannungen noch größer waren…
Wir waren während des Ramadan und des christlichen Pessachfestes dort, und das jüdische Pessachfest stand kurz bevor. Theoretisch hätte es eine Zeit des Friedens sein sollen, aber das war es nicht, so dass wir die „Esplanade der Moscheen“ nicht betreten durften. Man muss bedenken, dass es jeden Freitag zu Provokationen durch jüdische Extremisten kommt, die auch die Esplanade in Besitz nehmen wollen, während die Polizei muslimische Gottesdienstbesucher in Schach hält.
Ich finde den Hinweis auf die palästinensische gewaltfreie Organisation interessant, der die Medien meiner Meinung nach nie viel Aufmerksamkeit geschenkt haben. Kannst du ihre Aktivitäten beschreiben?
Es handelt sich um eine Koordinierung von Basisbewegungen im gesamten besetzten Palästina, die Widerstandsaktionen durchführen. Sie behindern etwa den Bau neuer Siedlungen auf alle möglichen gewaltfreien Arten, von juristischen Einsprüchen über das Errichten von Hindernissen für die Fortsetzung der Enteignungen bis hin zur Auffindung von Wasserressourcen. Im Jordantal, wo es viel Wasser gibt, wird dieses von den Regierungsbehörden entnommen, um es an die Siedler zu verteilen, während die Palästinenser es von israelischen Unternehmen kaufen oder es aus Zisternen in weit entfernten Gebieten holen müssen. Es gibt daher Initiativen mit dem Ziel, sich das Wasser zurückzuholen. Es gibt auch recht kreative Aktionen, ein Beispiel: wenn du eine Mauer-Bausperre gegen die diensthabende Kolonie errichten willst, dann baust du in der Nacht ein Gebäude, denn wenn da ein Gebäude ist, können die Militärbehörden die Mauer nicht bauen. Das behindert bis zu einem gewissen Grad den Besiedlungsprozess, der nach meinem zweiten Besuch zu urteilen mit beeindruckender Geschwindigkeit voranschreitet. Architektonisch ist es grauenhaft. Siedlungen wachsen wie Pilze aus dem Boden, ein bisschen wie in China: An einem Tag ist da nichts, ein paar Tage später ist eine Stadt entstanden.
Die Kämpfe dieser Koordination sind manchmal erfolgreich, aber der Gegner ist wirklich sehr stark. Wenn die internationale Gemeinschaft nicht ein Einsehen hat, ist es klar, dass die Sache der Palästinenserinnen und Palästinenser zum Untergang verurteilt ist.
Unter anderem ist die Bennett-Regierung eine direkte Vertretung der Siedlerinnen und Siedler. Wenn also vorher manchmal die Armee deren Initiativen in Schach hielt, können sie jetzt tun, was sie wollen. Wir sind nach Burin gefahren, wo wir schon vor zwei Jahren waren: Die Kinder müssen von „Internationals“, also Menschen aus nicht-einheimischen Vereinen, zur Schule begleitet werden, sonst werden sie von den Siedlern beschimpft und mit Sachen beworfen.
Es ist eine schreckliche und verzweifelte Situation: Die sogenannten A- und B-Zonen, die sich aus den Osloer Vereinbarungen ergeben haben, und auch C sind im Grunde genommen besetzt. Wenn keine breite und allgemeine Bewegung entsteht, wird der Apartheidprozess zum Ziel kommen.
Welche Wurzeln hat dieses Netzwerk in der palästinensischen Gesellschaft?
Sie sind in der Bevölkerung sehr beliebt, da sie sich für Wohnraum, Wasser und Olivenanbau einsetzen. Sie sind sehr weit verbreitet und auch die einzige Alternative zur Hamas, denn die Palästinensische Autonomiebehörde jede Glaubwürdigkeit verloren hat; niemand, den wir getroffen haben, nimmt sie in Schutz, weil sie korrupt ist und mit Israel kollaboriert. Wahlen werden nicht ausgerufen, weil die PLO sie verlieren und die Hamas sicher wieder gewinnen würde.
Wie ist die Haltung der israelischen Gesellschaft in Bezug auf die palästinensische Frage?
Wenn wir die aktuelle Situation in Israel mit der von vor dreißig Jahren vergleichen, als 70-80% der Bevölkerung den Friedensprozess befürworteten, ist das Bild düster, denn es hat eine wirklich unglaubliche Verschiebung auf der politischen Achse nach rechts stattgefunden. Diejenigen, die für den Frieden sind, sind eine absolute Minderheit in der Gesellschaft. In den letzten zwei Jahren wurden viermal hintereinander Wahlen abgehalten, und die palästinensische Frage stand nie zur Debatte. Keine der politischen Parteien hat darüber gesprochen. Es gibt absurde Kontraste: Man fährt nach Tel Aviv, und fühlt sich wie in Kalifornien, und ein paar Dutzend Kilometer weiter gibt es ein Flüchtlingslager von 1948, das besetzte Westjordanland und die Armee, die Razzien durchführt. Sicherlich haben diese palästinensischen Gruppen Beziehungen zu israelischen Pazifisten, aber es gibt nur noch sehr wenige von ihnen.
In den letzten Jahren, mit dem Scheitern des Zweistaatenvorschlags auch aufgrund des Prozesses, den du beschrieben hast, hat die Idee des Einheitsstaates, d.h. einer einzigen territorialen Einheit, die nicht auf ethnischer Zugehörigkeit, sondern auf den Rechten aller basiert, Fuss gefasst – auch wenn sie bis jetzt nur von einer extremen Minderheit vertreten wird. Gibt es diese Hypothese auch in der palästinensischen Welt?
Es ist klar, dass der zweite Staat nicht einmal den geografischen und politischen Raum hätte, um zu existieren. Was passiert, ist, dass es nur ein hegemoniales Subjekt gibt, nämlich Israel und seine Apartheid.
Die Alternative ist meiner Meinung nach ein einziger demokratischer Staat, wenn auch Israel so tut, als sei es ein solcher, und dabei in Wirklichkeit ein zutiefst rassistischer Staat ist. Neu im Vergleich zu früher ist, dass diese Idee sogar unter jungen Palästinenserinnen und Palästinensern auf dem Vormarsch ist, weil diese erkannt haben, dass es niemals zwei Staaten geben kann, und weil es eine gewinnende Idee ist.
Wir trafen die Frau von Marwan Barghuti, der seit vielen Jahren im Gefängnis sitzt und zu dreimal lebenslänglich verurteilt wurde. Wenn er nicht der palästinensische Mandela wird, wird er den Rest seines Lebens dort verbringen müssen. Ihr Sohn, der der PLO nahe steht, war ebenfalls anwesend und wies auf die Notwendigkeit eines einzigen demokratischen Staates hin. Sie betonte, dass dies nicht die offizielle Position von Barghuti sei, aber sie war dafür. Das scheint mir ein ziemlich wichtiges politisches Signal zu sein. Das Thema kam auf, als wir Jeff Halper, einen bekannten jüdischen Intellektuellen und Aktivisten, trafen. Jemand aus unserer Delegation fragte ihn, ob die Israelis etwas tun könnten. Er entgegnete, dass für sie der Staat schon da ist, geboren 1948, also sind sie die Gewinner und man kann sie nicht mit schönen Ideen überzeugen. Es wäre wichtig, eine Kampagne gegen die Apartheid nach südafrikanischem Vorbild zu starten. Zusammenfassend lässt sich sagen: Entweder wir gehen diesen schwierigen, aber nicht unmöglichen Weg, der Israel aufgezwungen werden muss, wie es mit Südafrika geschah, oder es ist nichts zu machen.
Übersetzung aus dem Italienischen von Domenica Ott vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!