Eingeschränkte Mobilität, fehlender Schutz und unfaire Handelspraktiken wirken existenzbedrohend für Millionen Menschen – Fallstudie “Beyond Panic?” beleuchtet vier von der Klimakrise besonders stark betroffene Länder und warnt vor dramatischen Folgen.

Im Rahmen der Südwind-Initiative Climate of Change untersuchte die Universität Bologna soziale Auswirkungen der Klimakrise in vier Ländern des Globalen Südens, die besonders stark von der Klimakrise betroffen sind – Senegal, Guatemala, Kambodscha und Kenia. In allen Ländern zeigten sich große Probleme bei der Anpassung an extremer werdende Bedingungen, wie etwa unvorhersehbares Wetter, intensivere Stürme, Dürren oder veränderte Meeresströmungen. Der Handlungsspielraum wird zusätzlich durch wirtschaftspolitische Faktoren massiv beschränkt, von hoher Verschuldung durch Mikrokredite über Land Grabbing durch ausländische Investor*innen bis hin zu Wasserentnahme für Monokulturen. „Die Klimakrise ist ein mächtiger Multiplikator für bestehende Probleme in Ländern des Globalen Südens. Gefährdungs- und Diskriminierungsfaktoren, etwa aufgrund von Alter, Geschlecht, Einkommen oder Herkunft, werden zunehmend verschärft“, erklärt Angelika Derfler, Südwind-Sprecherin für Klimagerechtigkeit.

Das im Vorjahr verabschiedete von den Vereinten Nationen verkündete Menschenrecht auf eine sichere, saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt wird in keinem der vier untersuchten Länder eingehalten. „Es braucht dringend eine Trendwende in Wirtschaft und Politik, hin zu einem System, in dem das menschliche Wohl und planetare Belastungsgrenzen respektiert werden“, so Derfler.

Trotz unterschiedlicher Voraussetzungen, zeigt sich in allen vier Ländern eine enorme Gefährdung der Bevölkerung durch fehlende Anpassungs- und Schutzmöglichkeiten. Ein wirtschaftspolitisches Machtgefälle zugunsten der reichen Länder verschärft die Situation zusätzlich. „Die Frage der Klimagerechtigkeit muss endlich auch in der europäischen und österreichischen Außen-, Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik einen größeren Stellenwert einnehmen. Ausbeuterische Wirtschaftspraktiken auf Kosten der Menschen im Globalen Süden müssen endlich ein Ende haben“, sagt Angelika Derfler. Die Menschenrechtsorganisation Südwind fordert daher von der Österreichischen Bundesregierung vollen Einsatz auf allen Ebenen für genügend Mittel für Anpassungsmaßnahmen sowie zur Kompensation von Schäden und Verlusten. Außerdem braucht es einen Know-How-Transfer und einen strengen Rechtsrahmen, einerseits gegen ausbeuterische Wirtschaftspraktiken und Arbeitsbedingungen zum Vorteil reicher Länder oder internationaler Konzerne und andererseits zum Schutz von Menschen und Menschenrechten.

Beim Einfluss der Klimakrise auf Migrationsbewegungen so ist diese laut der Studie je nach Land unterschiedlich ausgeprägt. Für die Entscheidung zu migrieren spielen demnach meist mehrere Faktoren eine Rolle. Die Klimakrise wirkt mit bereits bestehenden Ursachen und traditionellen Migrationsbewegungen zusammen. In den meisten Fällen sind Migrationsbewegungen innerhalb des Landes oder in die Nachbarländer zu beobachten. Nur ein geringer Teil migriert in den Globalen Norden.

Fallbeispiel Senegal: Dürre und Erosion treffen auf Müllimporte und Ocean Grabbing

Besonders eindrücklich zeigte sich der Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Klimakrise am Beispiel Senegal: Etwa 65 Prozent der Bevölkerung lebt an der Küste. Der jährliche Anstieg des Meeresspiegels liegt bei 3,5 bis 4 Millimeter. Gerade für die Bevölkerung der Küstenstädte St. Louis und Dakar ist Erosion ein enormer Gefährdungsfaktor. Im Zuge der Recherche gaben Interviewpartner an, dass sie mitansehen mussten, wie ihre Häuser im Meer versanken.

Im Landesinneren wiederum führen vermehrte Dürren zu weitreichenden Einbußen in der Landwirtschaft. Dies befördert die rasante Urbanisierung und eine Überforderung der städtischen Infrastruktur. Die daraus resultierenden Müllentsorgungsprobleme werden erheblich verschärft durch Müllimporte aus Europa. Etwa 70 Prozent der Feststoffabfälle werden in nicht genehmigten Mülldeponien entsorgt.

Etwa jede*r fünfte Arbeitnehmer*in ist im Fischereisektor beschäftigt. Zum Zeitpunkt der Recherchen 2021 bleiben die Fische aufgrund veränderter Meeresströmungen, Verschmutzung und Artenverlust fast gänzlich aus. Hinzu kommt das so genannte „Ocean Grabbing“: Mithilfe neuer rechtlicher Rahmenbedingungen wurden Zugang, Nutzung und Kontrolle von Fischereiressourcen in Küstengebieten von europäischen Unternehmen zum eigenen Vorteil neu verteilt. Zugunsten der industriellen Fischerei wird der lokalen Bevölkerung die Lebensgrundlage entzogen.

Pressemitteilung

Zum Download: 

Ergebnisübersicht des Fallstudienberichts (6 Seiten, Deutsch)

Fallstudienbericht: Senegal Guatemala, Kambodscha, Kenia. Kurzfassung (42 Seiten, Deutsch)

Die Gesamtstudie „Beyond Panic? – Exploring Climate Mobilities in Senegal, Guatemala, Cambodia and Kenya“ von der Universität Bologna, im Auftrag der Initiative Climate Of Change (186 Seiten, Englisch)