Tag der Pressefreiheit: Österreich verliert 14 Plätze im Pressefreiheits-Ranking von Reporter ohne Grenzen (RSF), Journalisten*innen Club und Opposition sprechen von einem „katastrophalen Absturz“. International bedrohen Krisen, Kriege und Gewalt die Freiheit von Medienschaffenden.
Von Moritz Ettlinger
Das neue Ranking von Reporter ohne Grenzen (RSF) rückt die Pressefreiheit in Österreich einmal mehr in kein gutes Licht: Die NGO stuft Österreich auf Rang 31 von 180 Staaten und damit um ganze 14 Plätze schlechter als im Jahr 2021 ein. Vergangenes Jahr hatte sich Österreich noch um einen Platz von 18 auf 17 verbessert, aber schon damals sorgte das Ranking für Kritik, schließlich lag Österreich vor nicht allzu langer Zeit auf Rang 11.
„Der Absturz um 14 Plätze von Rang 17 auf 31 ist das Ergebnis einer Vielzahl grober Nadelstiche gegen journalistische Medien im letzten Jahr“, sagt Fritz Hausjell, Präsident der Reporter ohne Grenzen Österreich, und weiter: „Recherchen von Medien und Erhebungen der Wirtschaft- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) deckten Zustände auf, die dem korrekten Verhältnis zwischen Regierung und Journalismus in einer liberalen Demokratie zuwiderlaufen.“
Gewalt auf Demos, Polizeischikanen, Korruption
Als Gründe für den tiefen Fall nennt RSF unter anderem die Angriffe auf Journalist*innen im Zuge von Corona-Demonstrationen, Schikanierungen durch die Polizei, die Affäre rund um bezahlte Umfragen im Boulevard sowie die Zunahme von Korruption und Bestechung im Allgemeinen.
Die NGO konstatiert der Politik fehlendes Interesse für eine höhere und bessere Medienförderung bei gleichzeitig zu hohen Ausgaben für Inserate. Gefordert wird ein sinnvolleres Medienförderungsgesetz mit dem Fokus auf Qualität anstelle von Auflage, außerdem kritisiert Reporter ohne Grenzen das weiterhin nicht abgeschaffte Amtsgeheimnis.
„Betreffend Informationsfreiheitsgesetz und Abschaffung des Amtsgeheimnisses ist die österreichische Regierung seit Jahren die Umsetzung säumig. Beides wäre sehr wichtig, um sowohl Journalistinnen und Journalisten als auch Whistleblowern in Österreich rechtliche Sicherheit zu geben“, weist Julia Herrnböck, stellvertretende Präsidentin der Reporter ohne Grenzen Österreich, auf die Wichtigkeit des Themas hin.
ÖJC und Opposition einhellig: „Katastrophaler Absturz“
Der Österreichische Journalist*innen Club (ÖJC) sieht den Abfall im Ranking als dramatisch an und verwehrt sich unpassender Vergleiche: „Wir dürfen auch nicht arrogant auf die Staaten am Ende der RSF-Rangliste hinunterschauen, sondern sollten angesichts dieser Katastrophe lieber vor der eigenen Türe kehren“, meint ÖJC-Präsident Oswald Klotz.
Klotz warnt auch vor einem immer weiter um sich greifenden, parteipolitisch motivierten „Haltungsjournalismus“ sowie vor den Folgen einer mangelhaften Medienerziehung der Österreicher*innen. Es müsste “ein vorrangiges Ziel der österreichischen Politik sein, vor allem jungen Menschen den Umgang mit Medien bereits im Schulalter näher zu bringen”, so Klotz, denn: „Die Mündigkeit des Einzelnen entsteht nicht aus dem Nichts.”
Als „katastrophal“ bezeichnet das Ranking auch NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter: „Die Regierung kann und darf nicht länger tatenlos dabei zuschauen, wie sämtliche Säulen unserer Demokratie zerbröseln und auch Österreichs Ansehen in der Welt flöten geht.“
Brandstötter nimmt dabei vor allem die Grünen in die Verantwortung. Die Hoffnung, dass sich die Situation mit deren Regierungsbeteiligung bessere, habe sich nicht bestätigt. „Auch die Regierung Nehammer/Kogler geht den Weg der Einschränkung der Pressefreiheit, den Sebastian Kurz zusammen mit der FPÖ eingeschlagen hat“, spart die NEOS-Politikerin nicht mit Kritik.
Die SPÖ sieht insbesondere „türkise Skandale und Angriffe auf Medien“ als Gründe für Österreichs Platz im Ranking. „Die Angriffe der ÖVP auf die Säulen der Demokratie, auf Rechtsstaat und Pressefreiheit, sind brandgefährlich und müssen sofort beendet werden“, fordert SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Der Absturz sei ein „letzter Warnruf“ für die Regierung und müsse Anlass dazu sein, unabhängigen Journalismus zu stärken.
Die Gewerkschaft GPA fordert ihrerseits eine Neuausrichtung der Medienförderung, die Sicherung eines unabhängigen öffentlichen Rundfunks und kritisiert die Untätigkeit der Regierung. Der Absturz im Pressefreiheits-Ranking mache die Notwendigkeit konkreter Schritte noch deutlicher.
„Nicht nur bei Neuregelung der Vergabe von Inseraten und der Presseförderung ist die Politik säumig“, erklärt Stefan Jung, „überfällig ist auch eine Novelle zum ORF-Gesetz, die den ORF als „Rundfunk der Gesellschaft“ unabhängig von politischem Einfluss macht und die ihm den notwendigen Handlungsspielraum garantiert.“
Pressefreiheit weltweit bedroht
Auf internationaler Ebene ist die Lage ebenfalls alles andere als rosig. „Regierungen, Interessengruppen und Einzelpersonen wollen Medienschaffende mit Gewalt daran hindern, unabhängig zu berichten“, stellt RSF-Vorstandssprecher Michael Rediske fest. Das sei in allen Teilen der Welt zu beobachten, sowohl in Russland, Myanmar und Afghanistan, aber auch etwa in Deutschland.
Russland, das nach Angaben von RSF im Zuge des Angriffskrieges auf die Ukraine die Pressefreiheit „de facto abgeschafft“ hat, rangiert auf Platz 155, die Ukraine, wo seit Beginn des Krieges mindestens sieben Medienschaffende getötet wurden, auf Platz 106.
An der Spitze des Rankings steht bereits zum sechsten Mal in Folge Norwegen. Als Gründe dafür nennt RSF Medienpluralismus, große Unabhängigkeit der Medien von der Politik, starke Informationsfreiheitsgesetze und ein grundsätzlich journalist*innenfreundliches Klima. Auf den Rängen zwei und drei finden sich Dänemark und Schweden.
Schlusslicht des Rankings bleibt weiterhin Nordkorea, auf den ebenfalls wenig schmeichelhaften Plätze davor werden Eritrea (179), der Iran (178), Turkmenistan (177), Myanmar (176) und China (175) gelistet.