Am Eröffnungstag des Sozialforums des Widerstands (FSR) und des Sozialforums für Gerechtigkeit und Demokratie (FSMJD) war es uns möglich, Dr. Teivo Teivainen, Professor für Weltpolitik an der Universität von Helsinki, zu treffen. Dr. Teivainen ist seit den Anfängen des Weltsozialforums (WSF) im Jahr 2001 an der Organisation dieser Bewegung beteiligt. Er ist außerdem ein versierter Autor und gibt einen Großteil seines Wissens zu diesem Thema in akademischen Kreisen und an die breite Öffentlichkeit weiter.
Vom Katalizo-Team
Anlässlich der Eröffnung des WSF teilte Dr. Teivainen seine Ideen über die Geschichte und die Zukunft des WSF in einem entspannten Moment im historischen Zentrum von Porto Alegre!
Die Geschichte besagt, dass die Gründer Chico Whitaker und Oded Grajew auf die Idee kamen, als sie 1999 bei einem Besuch in Paris die Fernsehübertragung des Weltwirtschaftsforums (WEF) verfolgten. Die Idee war, eine Alternative zu Davos zu schaffen, die auf der Agenda sozialer Bewegungen basiert und sich nicht auf konventionelle wirtschaftliche Themen konzentriert. Bernard Cassen, der damalige Generaldirektor von Le Monde Diplomatique, ermutigte sie, diese Idee in die Tat umzusetzen und die Veranstaltung im globalen Süden zu organisieren. Sie kehrten in ihre Heimat Brasilien zurück und organisierten das erste WSF in Porto Alegre, zeitgleich mit dem Gipfel in Davos. Während in jenem Jahr 3.000 Menschen am WEF teilnahmen, waren es beim WSF 20.000 Menschen. Einige Jahre später war das WSF ein wichtiger Mobilisierungsfaktor für eine der größten internationalen Protestbewegungen der Geschichte gegen den Irak-Krieg, den so genannten Global Day of Action.
Nachdem das WSF drei Jahre in Folge in Porto Alegre stattfand (2001-2003), wurde es 2004 in Mumbai, Indien, zum ersten Mal international abgehalten. Seitdem hat es auch in Pakistan, Venezuela, Mali, Kenia, Senegal, Tunesien und Kanada (Montreal) stattgefunden. Dr. Teivainen erläuterte, dass die Menschen in Brasilien und Porto Alegre zwar begeistert waren, dass sich das Forum weltweit ausbreitete, dass sie aber auch einen jährlichen Raum für solche Diskussionen und Mobilisierungen im eigenen Land zurückgewinnen wollten, um mehr lokale Themen zu behandeln. So wurde der FSR 2017 ins Leben gerufen.
Heute, in der Ära von Bolsonaro, bietet das FSR einen äußerst wichtigen Raum, um den gemeinsamen Widerstand und die Solidarität zwischen Gewerkschaften, indigenen Völkern, Landwirt:innen, LGBTQ+, Feminist:innen und anderen zum Ausdruck zu bringen. Das Meer aus verschiedenen Fahnen, das wir nur wenige Stunden nach unserem Gespräch mit Dr. Teivainen beim Eröffnungsmarsch sahen, machte deutlich, warum das Weltsozialforum (und die damit verbundenen Prozesse) oft als eine „Bewegung der Bewegungen“ bezeichnet wird. Wir sind sehr dankbar für dieses fruchtbare Gespräch mit Dr. Teivainen, das uns helfen wird, den Rest des FSR und des FSMJD in einen Kontext zu stellen. Wir freuen uns darauf, mit ihm über diese Themen zu diskutieren, während wir hier sind, aber auch darauf sein neues Buch über das Weltsozialforum kennenzulernen, das nach Angaben des Autors bald erscheinen wird!
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Anita Köbler vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!