Nach einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz im Kontext des Ukraine-Kriegs hat Kolumbiens Präsident Iván Duque angekündigt, die kurzfristige Erhöhung seiner Kohleexporte nach Deutschland zu prüfen. Damit sollen, „aktuelle Energieengpässe überwunden“ und die „Energiesicherheit“ Deutschlands im Zuge des geplanten Stopps russischer Kohleimporte gestärkt werden. Beide besprachen zudem, wie der „Energienotstand in Europa“ durch kurz-, mittel- und langfristige Kooperationen überwunden werden könne. Dies geht aus einer Pressemitteilung des kolumbianischen Präsidialamtes vom 6. April hervor.
Duque nannte gegenüber CNN drei Bereiche, in denen sein Land bereit wäre, die Produktion sofort zu steigern: die traditionelle Öl- und Gasförderung, Steinkohle sowie erneuerbare Energien wie „grüner Wasserstoff“. Kolumbien verfüge über einige der größten noch ungenutzten Energieressourcen der Welt.
Kohlemine El Cerrejón seit Jahren umstritten
Gefördert wird die Exportkohle vor allem in der Mine El Cerrejón der Bergbaukonzerne Anglo American, BHP Billiton und Glencore. Sie ist einer der weltgrößten Steinkohle-Tagebaue und seit Jahren wegen massiver Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen in der Kritik. Das Bergwerk befindet sich im Gebiet der indigenen Wayuu in La Guajira, deren Lebensgrundlagen durch die Kohleförderung zunehmend zerstört und die von Zwangsumsiedlungen betroffen sind. Im Jahr 2020 forderte daher der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Umwelt und Menschenrechte, David Boyd, Cerrejón zu schließen.
Entsprechend lehnt „Unidas por la Paz – Alemania“ die Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und Duque vehement ab. Das Kollektiv der kolumbianischen Diaspora erklärt: „Es ist erwiesen, dass die größten Kohleexporteure in Kolumbien zahlreiche Menschenrechts- und Umweltverletzungen begangen haben, von denen vor allem die in den Abbaugebieten lebenden Gemeinden betroffen sind. Die schlimmsten Missstände treten in den Regionen La Guajira und Cesar auf, wo 90 Prozent der Kohle des Landes gefördert wird“. Die Stellungnahme enthält die Forderung: „Keine Importe kolumbianischer Blutkohle mehr nach Europa!“.
Strom aus Kohle ist billiger
Die EU ist derzeit bei rund 45 Prozent ihrer Kohle-, 45 Prozent ihrer Gas- und rund 25 Prozent ihrer Ölimporte von der Russischen Föderation abhängig. Aufgrund der explodierenden Gaspreise auf dem Weltmarkt ist derzeit die Stromerzeugung aus Kohlekraftwerken profitabler als durch Gaskraftwerke, weshalb eine Substitution bei der Brennstoffbeschaffung stattfindet.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock kündigte indes am Mittwoch den „vollständigen Ausstieg“ aus russischen Energieimporten an: „Aus Kohle bis zum Sommer, Öl halbieren wir bis zum Sommer und werden bis Jahresende bei null sein.“ Beim Erdgas suche man ebenfalls nach Lösungen. Laut dem Verband der Kohleimporteure sind Alternativen zu russischen Steinkohleimporten allerdings mit technischen Problemen und höheren Kosten verbunden.
Deutsche Kohleimporte stark gestiegen
Die deutschen Steinkohle-Importe aus Kolumbien betrugen im März 2022 1,3 Millionen Tonnen – ein Anstieg um 47,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Daneben steigerte Deutschland im März 2022 die Einfuhr aus den USA (809.000 Tonnen) und importierte im ersten Quartal 2022 auch Steinkohle aus Südafrika (287.000 Tonnen) sowie aus Australien (537.000). Die EU sucht auch nach alternativen Lieferquellen von metallurgischer Kohle zur Stahlherstellung und hat beispielsweise beim australischen Unternehmen Coronado Global Resources angefragt, das Hüttenkohle in Australien und den USA fördert. Indonesien und Australien, die zu den größten Kohleexporteuren der Welt gehören, sind jedoch an ihre Produktionsgrenzen gestoßen und können den europäischen Bedarf an zusätzlichen Lieferungen laut Branchenprognosen nicht decken.
Neben der Steigerung fossiler Energieexporte will Kolumbien mit deutscher Unterstützung auch zum Exporteur von „grünem Wasserstoff“ werden.