Einige Migranten in Grossbritannien sollen per GPS getrackt werden, kündigte das britische Innenministerium an.
Daniela Gschweng für die Online-Zeitung INFOsperber
Grossbritannien hat angekündigt, Geflohene, die Grossbritannien mit kleinen Booten über den Ärmelkanal oder als blinde Passagiere auf Lastwagen erreichen, mit Fussfesseln zu versehen. Das berichtete zuerst die «BBC». Die Pilotmassnahme startete am Donnerstag, 16. Juni. Ob und wer bisher mit einem elektronischen Tracker versehen wurde, gab das britische Innenministerium nicht bekannt.
Laut Premierminister Boris Johnson sei es wichtig, «sicherzustellen, dass Asylbewerber nicht einfach im Rest des Landes verschwinden können». Gedacht ist die Massnahme laut der britischen Regierung dazu, Menschen zu tracken, die aus dem Vereinigten Königreich abgeschoben werden sollen und über «gefährliche oder unnötige» Routen eingereist sind.
Mit der Fussfessel solle demnach festgestellt werden, ob diese dazu beiträgt, regelmässigen Kontakt zu Geflohenen zu halten und Asylanträge effektiver zu bearbeiten. Das vorerst auf ein Jahr befristete Pilotprojekt wird nur in England und Wales durchgeführt. Ausgenommen sind Minderjährige und Schwangere ab der 18. Woche.
Scharfe Kritik von Flüchtlingsorganisationen
Organisationen, die sich für Geflohenenrechte einsetzen, kritisierten den Schritt als unethisch und «entsetzlich». Die «drakonische» Massnahme werde nicht dazu beitragen, Menschen von der gefährlichen Reise abzuhalten. Sie kriminalisiere Schutzsuchende und könne bei Opfern von Folter und Sklaverei psychischen Schaden verursachen. Nach den Leitlinien des Innenministeriums sollen Sachbearbeiter darauf zwar Rücksicht nehmen, ein Ausschlussgrund ist es aber nicht.
Enver Solomon, Geschäftsführer des Flüchtlingsrates, bezeichnete es als «entsetzlich, dass diese Regierung Männer, Frauen und Kinder, die vor Krieg, Blutvergiessen und Verfolgung geflohen sind, wie Kriminelle behandeln will».
Der Vorsitzende der Labour-Partei, Keir Starmer, warf der britischen Regierung Populismus vor. Es brauche eine ernsthafte Lösung, um Menschen davon abzuhalten, die gefährliche Reise über den Ärmelkanal anzutreten. Die Zahl der Personen, die versuchen, Grossbritannien per Boot zu erreichen, ist seit 2019 deutlich angestiegen. 2022 sind es bisher mehr als 11’000.
Die Fussfessel folgt einem verhinderten Abschiebeflug
Das Pilotprojekt folgt einem von der britischen Regierung geplanten Abschiebeflug nach Ruanda, der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte am 14. Juni in letzter Minute gestoppt wurde. Nach den Plänen Grossbritanniens sollen Migranten ihre Anträge dort stellen, eine Rückkehr ist ausgeschlossen. Menschenrechtsorganisationen, das UN-Flüchtlingshilfswerk, die Bischöfe der Church of England und sogar Prinz Charles hatten das Vorhaben kritisiert.
Die sieben von ursprünglich 130 Männern, die für den Flug nach Ruanda vorgesehen waren, sind laut «BBC» vermutlich die ersten, die eine Fussfessel erhalten. Nach dem Leitfaden des Innenministeriums bestehe bei Personen, die wissen, dass sie abgeschoben werden sollen, erhöhte Gefahr, dass sie untertauchen und die Kautionsauflagen nicht erfüllen.
Markierte Personen könnten Ausgangssperren unterworfen, vom Betreten bestimmter Orte ausgeschlossen werden oder andere Auflagen bekommen. Wer sich nicht daran hält, könne in Gewahrsam genommen oder strafrechtlich verfolgt werden, schreibt die «BBC» unter Bezug auf die Leitlinien.