Wir, die deutsche Sektion der Women’s International League for Peace and Freedom, lehnen das geplante 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr und die damit einhergehende zunehmende Aufrüstung und Militarisierung in Deutschland vehement ab[1]. Wir fordern alle Abgeordneten des Bundestags dazu auf, gegen das Sondervermögen und das NATO 2%-Ziel sowie die angestrebte Grundgesetzänderung zu stimmen. Wir sehen dieses Vorhaben als klaren Widerspruch zu der von der Bundesregierung selbstgesetzten Zielsetzung einer Feminist Foreign Policy. Denn eine feministische Außenpolitik bedeutet, sich für Abrüstung statt Aufrüstung einzusetzen und zivile Ansätze der Konfliktprävention-und lösung anzustreben.
Ein höheres Rüstungsbudget ist keine Garantie für mehr Sicherheit, geschweige denn für eine friedlichere Welt – im Gegenteil. Investitionen in die Bundeswehr führen nicht automatisch zu ihrer besseren Ausstattung und auch nicht zu mehr Sicherheit. Seit Jahren steigt der Bundeswehr-Etat und die Verteidigungsausgaben stetig. Deutschland würde mit den geplanten Investitionen durch das Sondervermögen und ein +2% Ziel auf Platz 3[2] der Länder mit den höchsten Verteidigungsausgaben weltweit stehen. Es ist außerdem davon auszugehen, dass bis zu ⅓ der Verteidigungsausgaben[3] durch die gravierenden systematischen Probleme im Beschaffungswesen der Bundeswehr grundsätzlich verschwendet werden.
Die Tatsache, dass zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht feststeht für was die 100 Milliarden im Spezifischen gedacht sind, fügt sich in diese Problematik ein. Selbst die Investitionen, welche voraussichtlich durch das Sondervermögen getätigt werden sollen, sind in höchstem Maße kritikwürdig. Beispielsweise sind wir gegen das Vorhaben atomwaffenfähige Trägerflugzeuge des Typs F-35[4] anzuschaffen. Diese Anschaffung zementiert die nukleare Teilhabe Deutschlands für die nächsten Jahrzehnte und erschwert jegliche zukünftigen Abrüstungsbemühungen. Nukleare Abschreckung ist und bleibt keine wirksame Strategie zum Erhalt von Frieden und bringt stattdessen – auch aktuell – eine militärische Konfrontation immer näher und eine Deeskalation rückt in weite Ferne.
Das geplante Sondervermögen ist Teil des weltweit steigenden Militarismus. Militarismus ist die ideologische Grundlage und damit eine der Ursachen für Krieg und Gewalt, indem er an toxischen Geschlechternormen und gewalttätigen Männlichkeiten festhält, die Kriege bedingen, rechtfertigen und aufrechterhalten. Außerdem profitieren insbesondere Waffen- und Rüstungsindustrien von diesen Entwicklungen.
Aufrüstung trägt zur Erhaltung eines ungerechten und ausbeuterischen Status Quo unserer Gesellschaften bei und widerspricht klimapolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung. Die Aufrüstung der Bundeswehr ist zudem ein direkter Beitrag zur Verschärfung der Klimakatastrophe[5], denn das Militär verbraucht riesige Mengen fossiler Treibstoffe. Klimapolitische Folgen von Militär sind aber unter anderem im Pariser Klimaabkommen oder dem Klimaschutzplan der Bundesregierung nicht berücksichtigt. Militaristische Logik erlaubt es Menschen und Planeten als unendlich ausbeutbar zu betrachten; auf Kosten vieler, zum Profit weniger.
Eine reine finanzielle Investition in die Bundeswehr und ihre Ausrüstung führt nicht direkt zu einer effizienten Verteidigungspolitik. Die Bundeswehr selbst braucht eine Reform, um ihr strukturelles Rechtsextremismusproblem[6] zu überwinden. Waffen, Munition o.A. dürfen nicht durch die Bundeswehr in rechte Netzwerke gelangen und damit das Gewaltpotential steigern. Rechtsextremismus verbindet nicht nur Rassismus und Antisemitismus, sondern auch Antifeminismus und ist eines der größten Sicherheitsprobleme in Deutschland – insbesondere für mehrfach marginalisierte Menschen.
Feministische Außenpolitik kann einen dringend benötigten Paradigmenwechsel in der Außen- und Sicherheitspolitik anstoßen. Dies beinhaltet die Auseinandersetzung mit Anti-feministischen Bewegungen, aber gleichzeitig auch die Wertschätzung und Respekt vor der Natur und der Würde aller Menschen. Unsere Ziele müssen daher menschliches und planetares Wohlergehen sein, anstatt ein immer größeres Wachstum und Gewinnstreben durch Rüstungsausgaben- und profite. Diesen Zielen entsprechend sollten Regierungsausgaben und finanzielle Investitionen getätigt werden. Wir brauchen Milliarden für Geschlechtergerechtigkeit, zivile Konfliktbearbeitung, die Bewältigung der Klimakrise, Menschen auf der Flucht, und die Finanzierung feministischer Zivilgesellschaft. Wir fordern: move the money from war to peace![7]
Wir fordern:
- Ablehnung der 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr!
- Gegen das 2-Prozent Ziel der NATO!
- Keine Grundgesetzänderung, die langfristig Militarisierung und Aufrüstung ermöglicht!
- Eine Abkehr von einem militärischen Sicherheitsverständnis und hin zu einem zivilen und feministischen Sicherheitsverständnis, um dem Anspruch der selbst auferlegten feministischen Außenpolitik gerecht zu werden.
- Investitionen in Bildung, Soziales, Gesundheit, Klima, zivile Konfliktbearbeitung und feministische Zivilgesellschaft, die sich für Frieden einsetzt – statt Aufrüstung!
[1] Dieses Statement thematisiert ausschließlich das geplante Sondervermögen der Bundesregierung und bezieht sich nicht auf den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Weitere Stellungnahmen und Positionierungen befinden sich auf unserer Webseite https://www.wilpf.de/.
[2] https://www.fr.de/politik/bundeswehr-sondervermoegen-100-milliarden-deutschland-ausgaben-verteidigungshaushalt-91505330.html
[3] https://www.greenpeace.de/publikationen/S04011-greenpeace-studie-frieden-beschaffungswesen-bundeswehr.pdf
[4] https://atombomber-nein-danke.de
[5] https://ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Infoblatt_Militaer_und_Krieg.pdf
[6] https://www.dbwv.de/aktuelle-themen/blickpunkt/beitrag/rechtsextremismus-in-der-bundeswehr-eine-aktuelle-analyse
[7] https://www.wilpf.org/global-programmes/women-peace-and-security/move-the-money/