Eine junge Italienerin ist die neueste Aktivistin, die mit einer „Straßeninstallation“ gegen das Schweigen der Medien über die unmenschliche Behandlung von Julian Assange durch Großbritannien und die USA protestiert. Ihre Installation auf einem Platz in Como wirft den beiden selbsternannten Demokratien vor, sich genau wie autoritäre Regime zu verhalten.
Wie muss man sich das Leben von Julian Assange vorstellen, der seit dem 11. April 2019 im Londoner Belmarsh-Gefängnis inhaftiert ist, weil er es gewagt hat, die geheimen Kriegs-, Umwelt- und Menschenrechtsverbrechen der Vereinigten Staaten und des Vereinigten Königreichs öffentlich zu machen? Eine junge Frau aus Como hat beschlossen, Assanges dramatischen Zustand nachzustellen – wenn auch unter freiem Himmel und nur für eine begrenzte Zeit – mit einer „Straßeninstallation“ auf einem zentralen Platz der norditalienischen Stadt Como. Sie hofft, dass die Passanten dazu gebracht werden, sich in die Lage von Julian zu versetzen und so die Bedingungen, unter denen er zu überleben versucht, besser zu verstehen.
Assange ist nun schon seit mehr als 1.220 Tagen in Einzelhaft in einer Zelle, die drei mal zwei Meter groß ist,
- mit nur einer Stunde Aufenthalt an der frischen Luft,
- mit nur zwei Besuchen pro Monat von jeweils 15 Minuten,
- mit nur einem Telefonanruf von wenigen Minuten pro Monat, und
- mit weiteren 175 Jahren Gefängnis, die ihn in den Vereinigten Staaten erwarten!
Und das alles, ohne dass er jemals verurteilt worden wäre (außer wegen eines geringfügigen Vergehens, das das später aufgehoben wurde). Eine Inhaftierung, die daher absolut willkürlich ist – genau wie in den schlimmsten autoritären Regimen, von denen sich das Vereinigte Königreich und die USA zu distanzieren behaupten, es aber in diesem Fall nicht tun.
Es ist eine juristische Ungeheuerlichkeit, die nach einem Aufschrei verlangt. Und um ihrer Wut Luft zu machen, hat die junge Frau aus Como beschlossen, öffentlich zu zeigen, was es heißt, in einer Zelle wie der von Julian zu sitzen.
Jeden Samstagnachmittag in den nächsten acht Monaten wird Lorena Corrias auf dem Bürgersteig der Piazza Verdi, vor dem Sozialtheater von Como, die Umrisse einer 3 x 2 Meter großen Zelle zeichnen – mit einem Poster von Assange, das eine Fläche von der Größe des Belmarsh-Bettchens bedeckt – und wird dort von 16 bis 18 Uhr (im Sommer) sitzen und nur aufstehen, um Flugblätter an Passanten zu verteilen. Die Stadtverwaltung hat ihr gestattet, die 6 Quadratmeter städtischen Eigentums bis zum 25. März 2023 zu besetzen. Sie begann ihren Protest am 6. August und trug zu diesem Anlass einen orangefarbenen Overall, der an den von Gefangenen in Guantanamo erinnert. (Das Belmarsh-Gefängnis wird oft als „das britische Guantanamo“ bezeichnet.)
Lorena hat sich für ihren ungewöhnlichen Protest von einer jungen Frau in Berlin, Raja Valeska, inspirieren lassen, die bereits seit einhundert Tagen in einer 3 x 2 Meter großen Zelle sitzt, die auf den Bürgersteig vor dem Brandenburger Tor oder vor anderen belebten Plätzen der deutschen Hauptstadt gezeichnet wurde. Auch das Comité Free Assange Belgium führt eine ähnliche Initiative durch: Die belgischen Aktivisten sind bereits bei ihrer 174. „Straßeninstallation“ in Brüssel, wo sie mit Hilfe von Straßensperren eine 3 x 2 Meter große Zelle errichten, in der sie sich als Form des Protests einschließen.
Die Empörung der Menschen auf der ganzen Welt über die Verfolgung von Julian Assange wird von Tag zu Tag größer. Für sie ist die gerichtliche Verfolgung von Julian Assange keineswegs legitim, sondern schlicht und einfach brutale Rache, getarnt als „krimineller Fall von Spionage“, und sie wollen sie mit allen Mitteln anprangern.
„Aber während meine Straßeninstallation vor allem darauf abzielt, Julians Leben zu retten, das im Belmarsh-Gefängnis in absoluter Gefahr schwebt, hat sie noch andere Ziele“, erklärt Lorena. „Sie ist ein Schlachtruf für uns alle, denn unsere Demokratie selbst steht auf dem Spiel. Investigativen Journalismus mit Spionage gleichzusetzen, wie es die Vereinigten Staaten mit der Forderung nach Julians Auslieferung aus dem Vereinigten Königreich tun wollen, bedeutet, den investigativen Journalismus zu töten, die Pressefreiheit zu töten und damit unserem #RightToKnow, was unsere Herrscher in unserem Namen tun, ein Ende zu setzen – vor allem die Illegalitäten, die sie begehen und dann als „strenge Staatsgeheimnisse“ vertuschen, damit sie ungestraft bleiben können. Jeder, der ihnen widerspricht, wird als „Spion“ abgestempelt und ins Gefängnis gesteckt, genau wie in den schlimmsten autoritären Regimen.“
„Mir ist klar“, so Lorena abschließend, „dass nicht jeder die Berufung oder die Bereitschaft hat, eine demonstrative Aktion wie die, die ich hier in Como unternommen habe, durchzuführen. Nicht jeder verspürt das Bedürfnis, wie ich, wirklich etwas Konkretes für Julian zu tun. Aber jeder kann in seiner Stadt die Sache von Julian mit einfachen, aber wirksamen Aktionen unterstützen. Zum Beispiel durch den Kauf und die Lektüre von Nils Melzers Buch „Der Prozess gegen Julian Assange“ oder, für diejenigen, die Italienisch können, das Buch „Il potere segreto: perché vogliono distruggere Julian Assange e WikiLeaks“ (Geheime Macht: Warum sie Julian Assange und WikiLeaks vernichten wollen) von Stefania Maurizi. – und dann, indem sie mit Familie und Freunden über sie sprechen. Oder indem man an Demonstrationen teilnimmt, die von Gruppen wie Free Assange organisiert werden.“
„Oder durch die Teilnahme an Mega-Events wie dem 24hAssange-Marathon, einem Streaming-Event, das am 15. Oktober stattfindet. Sie können es sich einfach anhören und andere dazu bringen, es sich mit Ihnen anzuhören; oder Sie können aktiv teilnehmen, indem Sie Ihren Standpunkt zum Ausdruck bringen – schreiben Sie einfach an 24hassange@proton.me, um einen Platz im Marathonprogramm zu reservieren.“
„Wenn man wirklich einen Mann verteidigen will, der ein großes Opfer für uns alle gebracht hat, und wenn wir gleichzeitig unser #RightToKnow verteidigen wollen, nun, es gibt keinen Mangel an Möglichkeiten. Zum Beispiel bietet Free Assange Italia, die Gruppe, die ich gerade erwähnt habe und bei der ich jetzt super aktiv bin, mehrere Initiativen an, an denen man sich beteiligen kann, je nach Neigung und Verfügbarkeit: http://freeassangeitalia.it/ciao“
Aber wer ist Lorena Corrias?
Lorena Corrias, die 2007 ihr Studium der Tourismuswissenschaften an der Universität von Insubrien abgeschlossen hat und jetzt als Büroangestellte arbeitet, war noch nie in ihrem Leben eine Aktivistin gewesen, bevor sie die Fernsehsendung „Julian Assange, Journalismus vor Gericht“ von Riccardo Iacona sah (Presa Diretta am 30.8.2021, abrufbar auf RaiPlay).
Die Sendung veranlasste sie, das nächstgelegene Pro-Assange-Komitee aufzusuchen, in ihrem Fall in Mailand, und am 2. Juli dieses Jahres erhielt Lorena ihre „Feuertaufe“ vor dem britischen Konsulat in Mailand während einer Kundgebung, die dort anlässlich seines 51. Geburtstages stattfand. Sie überwand ihre Schüchternheit, nahm das Mikrofon in die Hand und hielt ihre erste öffentliche Rede, völlig spontan – hier in gekürzter Form:
„Seit meiner Kindheit habe ich Ungerechtigkeit immer gehasst, besonders wenn sie von den Starken gegen die Schwachen begangen wurde. Ungleichheit hat mich immer gestört, und auch als ich erwachsen wurde, hat dieser Hass auf Ungerechtigkeit nie nachgelassen. Und im Fall von Julian Assange handelt es sich um eine kolossale Ungerechtigkeit! Nur wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts davon.
Dann habe ich die Fernsehsendung über Assange gesehen, die von Riccardo Iacona moderiert wurde und die ich jedem empfehle, sich anzusehen. Ich war schockiert, als ich feststellte, dass es heute einen Helden gibt, der seine Zukunft und sein Leben aufs Spiel setzt – mutig und ohne Hintergedanken -, damit wir die Wahrheit erfahren. Denn nur wenn wir die Wahrheit kennen, können wir fundierte Entscheidungen treffen.
Ich will nicht in einer Welt leben, in der alles stillschweigend übergangen wird.
Ich will nicht in einer Welt leben, in der Julian Assange im Gefängnis sitzt, oder noch schlimmer, in der Julian im Gefängnis stirbt.
Aber vor allem möchte ich nicht in einer Welt ohne Julian Assange leben! Wir brauchen ihn!
Ich möchte mich bei AnnaMaria Deidda bedanken, die mich bei meiner Kampagne für Julian logistisch unterstützt hat, und auch bei Sara Giagnoni, die immer an meiner Seite war.“
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Alina Kulik vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!