Das repressive Vorgehen gehen italienische Basisgewerkschaftler*innen könnte Schule machen. Auch hierzulande wird am Streikrecht gerüttelt.
„Die Angst wegschmeissen“ lautete der Titel eines beeindruckenden Filmes von Johanna Schellhagen, mit der der Zyklus von Arbeitskämpfen vornehmlich migrantischer Lohnabhängiger in der norditalienischen Logistikbranche bekannt wurde.
Der Film zeigt, dass es den prekären und grösstenteils migrantischen Arbeiter*innen in der Logistikbranche gelingt, sich durch solidarische und effektive Organisierung aus ihrer Isolation und ihren erniedrigenden Arbeitsverhältnissen herauszukämpfen. „Wir haben die Angst weggeschmissen“, erklärte ein Beschäftigter, der dem Film den Titel gab.
Im Morgengrauen des 19. Juli rückte die Polizei in den Gewerkschaftshäusern der Basisgewerkschaften ein, die den Kampf der Logistikarbeiter*innen unterstützen. Es handelt sich um ,
Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft von Piacenza wurde der nationale Koordinator der SI Cobas, Aldo Milani, und drei führende Vertreter der Gewerkschaft von Piacenza unter Hausarrest gestellt: Mohamed Arafat, Carlo Pallavicini und Bruno Scagnelli.
„Erpresserische Methoden …. um bessere Bedingungen für Arbeitnehmer zu erreichen“
Die Anklage lautet auf Bildung einer kriminellen Vereinigung wegen privater Gewalt, Widerstand gegen einen Amtsträger, Sabotage und Störung eines öffentlichen Dienstes. Dieser Vorwurf geht auf Streiks in den Logistiklagern von Piacenza in den Jahren 2014 bis 2021 zurück: Der Staatsanwaltschaft zufolge wurden diese Streiks unter einem Vorwand und mit „erpresserischen“ Absichten durchgeführt, um bessere Bedingungen für die Arbeitnehmer zu erreichen, als sie der nationale Vertrag vorsieht… Gleiche Vorwürfe gelten der Basisgewerkschaft USB, auch deren 4 führende Gewerkschafter unter Hausarrest gestellt wurden.
Nun könnte der Vorwurf mit erpresserischen Methoden die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Lohnabhängigen erreichen zu wollen, als Waffe gegen jede Form von kämpferischer Interessenvertretung der Beschäftigten dienen. Genau davon träumen wirtschaftsnahe Lobbyvertreter und Politiker schon lange, nicht nur in Italien.
Angriffe auf kämpferische Belegschaften auch in Deutschland
Aktuell sind in Deutschland Hafenarbeiter*innen, die sich im Arbeitskampf befinden, verstärkten Angriffen ausgesetzt. Schon nach ihren ersten Warnstreik forderte Arbeitgeberpräsident Dulger die Ausrufung des nationalen Notstands, um das Streikrecht zu brechen.
Das Hamburger Arbeitsgericht hatte später mit einem Urteil faktisch die Arbeitsniederlegungen verboten, in dem es drei weitere Verhandlungsrunden anordnete, bevor es zu weiteren Streiks kommen kann. Mit diesen Eingriff in den Arbeitskampf, dem die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi m Rahmen eines Vergleichs zugestimmt hat, soll natürlich auch die Dynamik eines Arbeitskampfs gebrochen werden: Zuvor hatten Fotos in digitalen Netzwerken die Runde gemacht, die Auseinandersetzungen zwischen Streikenden und der Polizei zeigten.
Widerstand gegen Angriffe auf das Streikrecht
Aktive Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftler haben mittlerweile eine Petition gegen jede Einschränkung des Streikrechts lanciert.
„Gerade in Zeiten hoher Inflation ist es notwendig, dass Gewerkschaften für den Erhalt der Lebensstandards der Beschäftigten streiken können. Wir stellen uns daher gegen jede Einschränkungen des Streikrechts, sei es durch juristische oder polizeiliche Massnahmen“, heisst es in dem Text der Petition.
In Italien wehren sich die Basisgewerkschaften auch mit landesweiten Arbeitsniederlegungen gegen die Repression. Solidaritätsaktionen sind auch in Deutschland vor italienischen Konsulaten am kommenden Dienstag geplant, unter Anderem von der Stadttteilinitative Solidarisch in Gröpelingen. Das könnte ein Zeichen der Solidarität mit den von Repression betroffenen Gewerkschafter*innen über Landesgrenzen hinweg sein, die gerade jetzt bitter nötig ist. Die drohende Energiekrise, steigende Inflation und die damit verbundene Verschlechterung der Lebensgrundlage für grosse Teile der Bevölkerung bei gleichzeitiger Forcierung der Hochrüstung könnte zu sozialen Protesten führen. Dagegen richtet sich die Repression.
Peter Nowak