Keine Stimmen für Kriegstreiber, egal für welche Partei.

von John V. Walsh

Im vergangenen Mai erschien im Boston Globe eine bemerkenswerte Kolumne von Stephen Kinzer. Sie war überschrieben mit: „Die Republikaner kehren zu ihren Wurzeln als Antikriegspartei zurück“.

Noch wichtiger war die Unterzeile: „Seit der Vietnam-Ära erwarten die Amerikaner von den liberalen Demokraten eine Antikriegsrhetorik. Streicht das.“ Die Kolumne begann:

„Angesichts der Begeisterung der Amerikaner für die Ukraine war es nicht überraschend, dass Präsident Biden vorschlug, Waffen und andere Hilfsgüter im Wert von 33 Milliarden Dollar an das angeschlagene ukrainische Militär zu schicken. Es war ebenfalls nicht überraschend, dass der Kongress die Summe auf 40 Milliarden Dollar erhöhte und dass sowohl der Senat als auch das Repräsentantenhaus mit überwältigender Mehrheit dafür stimmten. Hinter dieser schiefen Abstimmung verbarg sich jedoch ein Schock: Jedes einzelne „Nein“ – 11 im Senat und 57 im Repräsentantenhaus – kam von einem Republikaner.

„Seit der Vietnam-Ära erwarten die Amerikaner von den liberalen Demokraten eine Antikriegsrhetorik. Vergesst das. Die Abstimmungen in Washington in diesem Monat signalisieren eine dramatische Rollenumkehr. Plötzlich sind es die konservativen Republikaner, die sich gegen eine Beteiligung der USA an ausländischen Kriegen aussprechen.“

Bemerkenswerterweise haben nicht nur die „konservativen“ Demokraten für die 40 Milliarden Dollar gestimmt, die mehr Waffen des Todes und der Zerstörung für Joe Bidens grausamen Stellvertreterkrieg gegen Russland «bis zum letzten Ukrainer» beinhalteten. Alle „Progressiven“ taten dies, einschließlich AOC und The Squad, Bernie Sanders, Ro Khanna, Barbara Lee und all die anderen. Es war ein glatter Durchmarsch.

Zweitens: Das war kein einmaliges Ereignis. In den nächsten Wochen steht eine weitere Abstimmung über 13,7 Milliarden Dollar für die Ukraine an, davon über 7 Milliarden Dollar für Waffen. Was ist die Antwort der 100 Demokraten auf diese Forderung Bidens? Die Antwort kam während der Aktionswoche vom 11. September, zu der Code Pink und die progressive Peace In Ukraine Coalition aufgerufen hatten und über die hier berichtet wird:

„In der amerikanischen Hauptstadt eröffneten die CODEPINK-Mitbegründerinnen Medea Benjamin und Jodie Evans zusammen mit Colonel Ann Wright und anderen Aktivist:innen die Aktionswoche, indem sie in den Büros des Congressional Progressive Caucus (CPC) im Repräsentantenhaus von Tür zu Tür zu gingen, …. Zwar rufen einige Mitglieder des Caucus zu dringend benötigter Diplomatie auf und äussern sich besorgt über das Risiko eines Atomkriegs – entweder durch eine Fehlkalkulation oder einen absichtlichen Erstschlag – aber es wird sich kein einziges Mitglied des fast 100-köpfigen CPC dazu verpflichten, gegen mehr Waffen für die Ukraine zu stimmen.“ (Hervorhebung, jw)

Dies wurde auch in einem sehr entmutigenden Interview von The GrayZone mit prominenten Aktivisten nach der Lobbyarbeit bestätigt.

Die Pro-Kriegs-Mentalität der progressiven Demokraten beschränkt sich nicht nur auf Bidens grausamen Stellvertreterkrieg «bis zum letzten Ukrainer». Sie erstreckt sich auch auf einen zweiten Stellvertreterkrieg, der jetzt in Taiwan angezettelt wird. Als Nancy Pelosi kürzlich die Insel besuchte, um Abspaltungsgedanken zu schüren, hat kein einziger progressiver Demokrat im Kongress auch nur einen Mucks von sich gegeben. Der Abgeordnete Ro Khanna, Co-Vorsitzender der Präsidentschaftskampagne von Bernie Sanders für 2020, unterstützte dies sogar in Tiraden auf CNN und Twitter.

Diese beiden Stellvertreterkriege bringen die USA in Konflikt mit zwei anderen großen Atommächten. Wenn die progressiven Politiker:innen in solchen Fällen nicht gegen eine militärische Eskalation sein können, ist schwer zu erkennen, dass sie überhaupt irgendeinen Anspruch haben sollen, für den Frieden zu sein. Und doch sind allzu viele Aktivist:innen in der progressiven Antikriegsbewegung loyal zu ihnen. Einige Friedensorganisationen sind sogar so weit gegangen, sie für die Wahl 2022 zu unterstützen, selbst nachdem sie für die 40 Milliarden Dollar für die Ukraine gestimmt haben, zum Beispiel hier!

Darüber hinaus zeigt sich diese Unterstützung für den Stellvertreterkrieg in der Ukraine auch bei den Demokraten in den eigenen Reihen. In einer aktuellen Ipsos-Umfrage, die nach sechs Monaten Krieg durchgeführt wurde, war die Zustimmung zur Intervention in der Ukraine bei den Demokraten höher als bei den Republikanern und Unabhängigen. WENN die Ursachen dafür parteipolitischer Natur sind, ist das zutiefst beunruhigend, denn es bedeutet, dass Demokraten Kriegshetzern folgen, nur weil sie Demokraten sind. Biden könnte ein Beispiel für diese fehlgeleitete Loyalität sein.

Lassen Sie mich mit einer persönlichen Bemerkung schließen. Bei meiner Arbeit in Friedensorganisationen und -koalitionen stelle ich fest, dass viele Aktivisten, die sich mit aller Kraft für den Frieden einsetzen, auch der Demokratischen Partei gegenüber loyal sind. Und diese Loyalität erstreckt sich vor allem auf die „progressiven“ demokratischen Politiker. Das ist sehr beunruhigend, denn in den wichtigsten Fragen von Krieg und Frieden erhalten diese Friedensaktivisten keine Gegenleistung. Und da es keinen Preis für ihre Kriegstreiber-Stimmen zu zahlen gibt, werden diese Politiker:innen die Aktivist:innen einfach ignorieren. Das ist eine missbräuchliche Beziehung und sollte sofort beendet werden.

Die Minimalpolitik derjenigen, die sich für den Frieden einsetzen, sollte ganz einfach sein: keine Stimmen für Politiker, die für die Finanzierung des Krieges in der Ukraine stimmen – egal welcher Partei. Andernfalls werden diejenigen, die den Krieg und die Unipolarität der USA unterstützen, weiterhin diejenigen ignorieren, die sich für den Frieden einsetzen.

Übersetzung aus dem Englischen von Domenica Ott vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!


John V. Walsh, bis vor kurzem Professor für Physiologie und Neurowissenschaften an der University of Massachusetts Chan Medical School, hat für den San Francisco Chronicle, EastBayTimes/San Jose Mercury News, Asia Times, LA Progressive, Antiwar.com, CounterPunch, Consortium News, Scheerpost und andere über Themen des Friedens und der Gesundheitsversorgung geschrieben.