Deutschland weitet Militärkooperation mit Japan aus. Strategen schlagen Aufbau einer ständigen europäischen Marinepräsenz im Indischen Ozean vor.
Deutschland weitet seine Geheimdienst-, Rüstungs- und Militärkooperation mit Japan aus und plant gemeinsame Manöver sowie gemeinsame Operationen zur Überwachung des UN-Waffenembargos gegen Nordkorea. Dies ist das Ergebnis von Treffen und von Gesprächen, die die Regierungen in Berlin und in Tokio in den vergangenen Wochen führten. So stand bei einem „Zwei-plus-zwei-Gespräch“ der Außen- und Verteidigungsminister der beiden Länder der Aufbau einer „vereinigten Front“ gegen Beijing im Mittelpunkt; eine wichtige Funktion kommt dabei einer Asienfahrt der deutschen Fregatte Bayern zu, die im August beginnen soll. Der Ausbau der Kooperation mit Japan erfolgt gleichzeitig mit einer Stärkung der japanisch-US-amerikanischen Zusammenarbeit, die nicht zuletzt Planungen für den Fall eines Krieges um Taiwan beinhaltet. Strategen plädieren darüber hinaus für eine intensivere Kooperation mit dem transpazifischen Viererpakt „Quad“, mit dessen Mitgliedstaaten Frankreich Anfang April ein erstes gemeinsames Marinemanöver abhielt. Eine ständige europäische Marinepräsenz im Indischen Ozean ist im Gespräch.
Verschmelzung von Außen- und Militärpolitik
Die Bundesregierung hat in den vergangenen Wochen mehrere Schritte zur Intensivierung der Beziehungen zwischen Deutschland und Japan unternommen. Am 22. März unterzeichneten beide Länder ein bilaterales Geheimschutzabkommen, das nicht nur die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste beider Länder, sondern auch die Realisierung gemeinsamer Rüstungsprojekte und Militäreinsätze erleichtern soll.[1] Am 13. April kamen zum ersten Mal die Außen- und Verteidigungsminister Deutschlands und Japans zu einem sogenannten Zwei-plus-zwei-Gespräch zusammen, pandemiebedingt freilich nur online; derartige Konsultationen sind künftig regelmäßig geplant. Sie beschränken sich nicht auf die deutsch-japanischen Beziehungen: Zwei-plus-zwei-Gespräche führten Mitte März US-Außenminister Antony Blinken und US-Verteidigungsminister Lloyd Austin mit ihren Amtskollegen in Tokio; zuvor hatten sich – freilich online – die Außen- und Verteidigungsminister Japans und Großbritanniens im Zwei-plus-zwei-Rahmen ausgetauscht. Die wachsende Vorliebe für das Format zeigt, dass im Westen sowie bei dessen Verbündeten eine zunehmende Verschmelzung der Außen- mit der Militärpolitik zu beobachten ist.
Vereinigte Front gegen Beijing
Als Erläuterung für die Abhaltung der Zwei-plus-zwei-Gespräche verwies Außenminister Heiko Maas auf den globalen Machtanspruch Berlins: Um „die Welt weiterhin aktiv mitzugestalten“, müssten „Deutschland und Europa“ sich „gerade auch in Asien stärker engagieren“, denn dort fänden „in diesem Jahrhundert wichtige globale Weichenstellungen statt“.[2] Genauere Angaben über den Inhalt der Gespräche wurden in Tokio bekannt. Demnach konzentrierten sich die vier Minister vor allem auf Bemühungen, „eine vereinigte Front“ zu etablieren, um „den territorialen Ambitionen Beijings entgegenzutreten“.[3] Gemeint sind die Konflikte um Inseln im Süd- und im Ostchinesischen Meer und der Konflikt um Taiwan, die einseitig der Volksrepublik angelastet werden. Jun Okumura, ein Experte des Meiji Institute for Global Affairs in Japans Hauptstadt, urteilt, Tokio sei an „jeglichem neuen Bündnis“ interessiert, „das hilft, China entgegenzutreten“. Angelpunkt für die japanischen Eliten ist dabei ihre Allianz mit den USA, deren aktuelle Ziele bei den Zwei-plus-zwei-Gesprächen mit Blinken und Austin Mitte März besprochen wurden. Dabei wurden insbesondere etwaige militärische Beiträge Japans im Falle eines Krieges um Taiwan diskutiert.[4]
Gemeinsame Manöver und Operationen
Auch bei den japanisch-deutschen Zwei-plus-zwei-Gesprächen standen militärische Vorhaben auf dem Programm, vor allem der bevorstehende Besuch der deutschen Fregatte Bayern, die im August mit Kurs auf Asien aufbrechen und nach mehreren Zwischenstationen in Japan eintreffen wird. Wie die Tageszeitung Mainichi Shimbun berichtet, wünscht Tokio für die Zeit des Aufenthalts der Fregatte gemeinsame Manöver mit den japanischen Streitkräften.[5] Darüber hinaus sind, wie das deutsche Verteidigungsministerium bestätigt, gemeinsame deutsch-japanische Operationen zur Überwachung des UN-Waffenembargos gegen Nordkorea geplant. Neben militärischen Vorhaben thematisierten beide Seiten bei den Zwei-plus-zwei-Gesprächen auch die Absicht, in Zukunft in der Rüstung enger zu kooperieren. Japan bezieht sein Kriegsgerät zur Zeit vorwiegend aus den USA. Eine engere Militärkooperation mit Japan streben neben Deutschland auch Großbritannien und Frankreich an. London wird im Mai seinen neuen Flugzeugträger „Queen Elizabeth“ nach Ostasien entsenden; am Zielpunkt der Reise, in Japan, sind gemeinsame Manöver mit den japanischen und den US-amerikanischen Streitkräften geplant.[6]
Der transpazifische Viererpakt
Frankreich wiederum hat vom 5. bis zum 7. April im Golf von Bengalen das Marinemanöver „La Pérouse“ durchgeführt, an dem auch die japanischen Streitkräfte beteiligt waren. „La Pérouse“, benannt nach einem französischen Marineoffizier, der im Jahr 1788 auf einer Erkundungsfahrt im Pazifik verschwand, wurde erstmals 2019 abgehalten; involviert waren damals Kriegsschiffe nicht nur Japans, sondern auch Australiens und der Vereinigten Staaten. Diesmal nahm zusätzlich auch die indische Marine teil; damit übten erstmals alle vier Staaten des „Quad“ (Quadrilateral Security Dialogue), eines informellen Bündnisses der USA, Japans, Australiens und Indiens, unter der militärischen Führung Frankreichs.[7] Die vier Quad-Staaten wiederum hatten im November 2020 bereits ein gemeinsames Manöver („Malabar 2020“) abgehalten, ebenfalls im Golf von Bengalen; Ausrichter war Indien.[8] Hochrangige US-Militärs fordern, gemeinsame Manöver der Quad-Mitglieder zu verstetigen und sie mittelfristig weiter auszubauen; zudem könne man schon in drei bis vier Jahren etwa eine gemeinsame Institution gründen („Quad Center of Excellence“), deren Aufgabe es sei, gemeinsame strategische Doktrinen zu entwickeln.[9]
Ständige Marinepräsenz im Indischen Ozean
Wenngleich noch unklar ist, ob sich die Quad-Militärkooperation tatsächlich in einem solchen Maß intensivieren lässt, dringen seit geraumer Zeit Experten in der EU auf engere Zusammenarbeit auch der Staaten Europas mit dem Quad.[10] Zuletzt hat sich in diesem Sinn Ende vergangener Woche der European Council on Foreign Relations (ECFR) zu Wort gemeldet. Wie es in einer Analyse des Think-Tanks heißt, könne der transpazifische Viererpakt der EU „als Andockstelle“ für eine Ausweitung ihrer Aktivitäten in der Region dienen; die Union und ihre Mitgliedstaaten sollten ihn unbedingt „in ihre strategische Annäherung an den Indo-Pazifik einbeziehen“. Das gelte nicht nur, aber auch für militärische Aktivitäten. Wollten „die Europäer“ den Einfluss ihrer militärischen Ressourcen in der Region maximieren, sollten sie sie außerdem gezielt strategisch einsetzen. So sei etwa möglich, sich untereinander so abzustimmen, dass eine ständige europäische Marinepräsenz im Indischen Ozean gewährleistet sei; dazu sollten Deutschland, die Niederlande, Spanien und Portugal die Ressourcen ihrer Seestreitkräfte mit denjenigen Frankreichs koordinieren, das schon jetzt eine Marinepräsenz in der Indo-Pazifik-Region unterhalte.[11] Damit könne man dem Einfluss Chinas entschlossen entgegentreten.
[1] Zeichen des gegenseitigen Vertrauens: Japan und Deutschland unterzeichnen Geheimschutzabkommen. auswaertiges-amt.de 22.03.2021.
[2] Außen- und sicherheitspolitische Konsultationen zwischen Japan und Deutschland. auswaertiges-amt.de 13.04.2021.
[3] Julian Ryall: Japan seeks German help to counter China’s clout in Indo-Pacific. dw.com 14.04.2021.
[4] Japan and U.S. defense chiefs affirm cooperation over Taiwan emergency. japantimes.co.jp 21.03.2021.
[5] Japan, Germany hold 1st security talk to deter China. mainichi.jp 13.04.2021.
[6] S. dazu Die neue deutsche Kanonenbootpolitik (II).
[7] Philippe Chapleau: L’Inde aux côtés de la France pour l’exercice naval « La Pérouse » dans le golfe du Bengale. ouest-france.fr 07.04.2021.
[8] S. dazu Deutschland im Indo-Pazifik (VI).
[9] Jeffrey T. Vanak, Jack Souders, Kenneth del Mazo: How to Operationalize the Quad. thediplomat.com 30.03.2021.
[10] S. dazu Im Osten des Indischen Ozeans.
[11] Manisha Reuter: Friends in deed: How the EU and the Quad can promote security in the Indo-Pacific. ecfr.eu 16.04.2021.