Das Wort „Minnesota“ leitet sich von einem der beiden Dakota-Wörter ab, entweder Mni Sóta für klares, blaues Wasser oder Mnissota für trübes Wasser. Nur ein Buchstabe kann die gesamte Bedeutung verändern. Und ein einziger Ölteppich kann das gesamte Ökosystem ruinieren.
Von Barbara Williams
Im März reiste ich mit Jane Fonda und Tessa Wick in den Norden Minnesotas, um den Ojibwe beizustehen, die gegen einen massiven Angriff auf ihr angestammtes Gebiet kämpfen. Pipeline 3 wurde in den 1960er Jahren gebaut wurde und weist laut Enbridge, dem kanadischen Unternehmen, dem sie gehört, derzeit 900 strukturelle Probleme auf. Unter dem Vorwand, sie zu ersetzen, gibt Enbridge in Wirklichkeit die alte Leitung auf und verlegt aggressiv die Infrastruktur, um sie zu einer größeren Pipeline mit höherer Kapazität auszubauen. Die geplante Monstrosität würde sich durch 200 unberührte Seen und Flüsse im Norden Minnesotas schlängeln, darunter auch Wassereinzugsgebiete für den Wildreis, der in diesem Teil der Welt einzigartig ist und seit Jahrhunderten zur Lebensweise der Anishinaabeg/Ojibwe gehört. Ein Leck könnte die Reisfelder sowie den Lebensraum für Fische und Wildtiere dauerhaft zerstören. Enbridge hatte über 800 Ölaustritte in den letzten 15 Jahren, u.a. den größten Binnenölunfall in der Geschichte der USA, als 2010 1,2 Millionen Gallonen in den Kalamazoo River ausliefen. Ein Leck ist also vorprogrammiert.
Während seiner Amtszeit genehmigte Donald Trump die Pipeline 3, obwohl es keine Umweltverträglichkeitsstudie gab. Dies wird derzeit überprüft. Jetzt, da im Fall George Floyd Recht gesprochen wurde, besteht die Hoffnung, dass der Generalstaatsanwalt von Minnesota, Keith Ellison, seine Aufmerksamkeit auf die soziale und ökologische Ungerechtigkeit der Pipeline 3 richten wird. Präsident Biden sollte die Genehmigung des Army Corps für Enbridge aufheben, wie er es bei der Keystone XL-Pipeline getan hat.
Wir hielten zuerst bei einem Gelände im White Earth Reservat. Es beherbergt 8th Fire Solar, eine Einrichtung, in der Stammesmitglieder thermische Solaranlagen bauen. Es ist das Hauptquartier von Honor the Earth, einer von Winona LaDuke gegründeten Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Bewusstsein und die Unterstützung für die Umweltbelange der Ureinwohner:innen zu fördern. Winona ist eine magnetische und feurige Anführerin, die sich seit langem für den Schutz der Erde einsetzt. Neben der Ernte von Wildreis (Manoomin) und dem Bau von Solarzellen betreibt Winona ein junges Hanfgeschäft, zapft Ahornbäume an und hat sich an das Rösten von Kaffee in kleinen Mengen herangewagt. Die Menschen im White Earth Reservat setzen alles daran, sich durch nachhaltige Aktivitäten selbst zu versorgen.
Uns wurden köstliche Frühlingsrollen serviert, während die Wasserschützerinnen Geschichten darüber erzählten, wie sie von der örtlichen Polizei zusammengeschlagen wurden, weil sie gegen die Pipeline protestierten. Sie wurden einer Leibesvisitation unterzogen und in überfüllten Zellen festgehalten – in Zeiten von COVID-19. Die Minnesota Public Utilities Commission hat ein von Enbridge finanziertes Konto eingerichtet, um die Polizeiarbeit gegen Enbridge-Gegner:innen zu bezahlen – was bedeutet, dass sie mehr bezahlt werden, wenn sie Aktivist:innen schikanieren und verhaften. Als wir im Konvoi zu einer Pressekonferenz fuhren, wurden die beiden Frauen, die vor uns fuhren, angehalten, weil sie keine 100 Fuß vor dem Abbiegen ein Zeichen gegeben hatten. Glücklicherweise waren sie beide Verfassungsrechtlerinnen – und weiß, möchte ich hinzufügen. Nachdem sie 15 Minuten aufgehalten worden waren, erkannte die Beamtin, worauf sie sich eingelassen hatte, und gab nach.
Am Ufer des Crow Wing River, vor dem Hintergrund von Ojibwe-Großmüttern in traditionellen Gewändern, teilten sich Jane und Winona ein Podium mit Tara Houska, einer Ojibwe-Anwältin mit Yale-Ausbildung, die ihren Anzug in D.C. an den Nagel gehängt hat, um zurückzukehren und mit anderen Wasserschützerinnen in einem 70 Hektar großen Widerstandslager namens Giniw Collective zu leben.
Janes Anwesenheit hatte eine ganze Reihe von Medien aufmerksam gemacht. Sie ist zur weisen Frau geworden, die ihr riesiges Netzwerk von alten und neuen Fans aufklärt und inspiriert. Sie sprach kenntnisreich über die herausragenden Themen des Klimawandels. Sie betonte, wie wichtig es ist, dass es gut bezahlte Arbeitsplätze gibt, wenn wir von fossilen Brennstoffen auf nachhaltige Energie umsteigen. Sie erwähnte eine Aussage von Winona über einen Moment, in dem wir die Wahl hatten, eine Kohlenhydrat-Geschichte oder eine Kohlenwasserstoff-Geschichte zu haben, und wir uns für die falsche entschieden haben, und fügte hinzu: „Es ist Zeit, das zu korrigieren.“ Tara erklärte die Rechtswidrigkeit des Baus von Pipeline 3 auf öffentlichem Land. Sie schloss sich dem Vorstoß junger Aktivist:innen an, die von der ineffektiven Politik genug haben und ihren Körper und ihre Handlungsfähigkeit nutzen, um „nicht mehr“ zu sagen. Winona zitierte Arundhati Roy und forderte uns auf, die „Pandemie als Portal“ zu sehen: „Wir müssen durch das Portal gehen und tote Ideen zurücklassen, bereit, uns eine neue Welt vorzustellen.“
Die Menge war begeistert, alle trugen rot. Es lag eine festliche Aufbruchstimmung in der Luft. An wichtigen Punkten brüllte eine riesige schwarze Bärenpuppe mit Zustimmung oder grunzte mit Unmut. Indigene Trommler:innen erklangen. Flussotter spielten.
Vor vier Jahren begleitete ich Jane bei einem Flug über die kanadischen Teersande in Fort McMurray, Alberta, der Quelle des schmutzigen Öls, das Enbridge exportiert. Aus der Luft erinnerten mich die Tagebaue an Krebsgeschwüre mit den nach außen führenden Gefäßen, die die Krankheit in den Rest des Körpers tragen. Die Jobs werden gut bezahlt. So haben meine Schwester und ihr Mann ihr Haus gekauft. Die Arbeiter:innen gehen dahin, wo das Geld ist. Aber es ist eine sterbende Industrie. Justin Trudeau hat begeistert das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet und geschworen, in erneuerbare Energiequellen zu investieren, aber er hat sich den Konzernmächten gebeugt, die jede Unze schmutzigen Profits aus den Teersanden herausquetschen, bevor sie zusammenbrechen. Die Gewinnung von Teersand ist nicht nur der schmutzigste und ineffizienteste Prozess, sondern auch der unwirtschaftlichste. Würde die Regierung den kühnen Schritt wagen, andere Wirtschaftszweige wie erneuerbare Energien, Wohnungsbau und Transportwesen in dem Maße zu subventionieren, wie sie die Teersande subventioniert, wäre das weitaus vorteilhafter für die Wirtschaft und das Leben der Menschen – auf lange Sicht. Aber sie sind kurzsichtig.
Die Fische und Wildtiere, von denen sich die Métis First Nations in der Athabasca-Region traditionell ernähren, sind von Missbildungen und Tumoren übersät. Siebenundachtzig Prozent der Gemeinschaft glauben, dass die Teersande dafür verantwortlich sind. Wir saßen mit Cece zusammen, die sieben Jahre lang als Maschinenbedienerin gearbeitet hat. Mit 60 Jahren hatte sie alle ihre Kollegen überlebt, auch ihren Mann, der im Jahr zuvor an Krebs gestorben war. Sie kandidierte für das Amt Stammesanführer:in mit der Forderung nach strengeren Vorschriften für Teersand, aber die Industrie bestach ihren Gegner mit dem Versprechen einer Senioreneinrichtung, wenn er sie unterstützen würde. Sie verlor mit nur einer Stimme. Teile und herrsche, die uralte Taktik der Machtausübung.
Mit der Pipeline 3 will Enbridge die Auseinandersetzungen in Standing Rock nicht wiederholen, also hat man Geld in die Zielgemeinden gepumpt. Die chronischen Versäumnisse der Regierung in den Reservaten, verschärft vom wirtschaftlichen Abschwung durch die Pandemie, haben sich zum Vorteil von Enbridge entwickelt. Die Menschen müssen ihre Familien ernähren, und Enbridge ist mit den Jobs zur Stelle. Enbridge hat einen Treuhandfonds eingerichtet, aus dem die Stammesregierung von Fond du Lac monatliche Zahlungen an ihre Mitglieder leistet. Es ist ein schreckliches Dilemma für Einzelpersonen, die Repressalien fürchten, wenn sie sich dagegen aussprechen. Das Projekt hat tiefe Gräben innerhalb der indigenen Gemeinschaft aufgerissen, aber die große Mehrheit ist vehement dagegen.
Da die Menschen aus dem ganzen Land zur Arbeit kommen, sind die Arbeiterlager von Enbridge potenzielle COVID-19-Superspreader geworden. Nach Angaben des Violence Intervention Project in Thief River Falls wurden mindestens zwei Frauen sexuell missbraucht. Zahlreiche Frauen sagen, sie seien von Pipeline-Arbeitern belästigt worden und fühlten sich nicht sicher. Zwei in Wisconsin ansässige Enbridge-Mitarbeiter wurden kürzlich wegen Sexhandels verhaftet.
Jane machte ein Skype-Interview mit Lawrence O’Donnell auf MSNBC. In einem atemberaubenden sechseinhalbminütigen, ununterbrochenen Gespräch legte sie die Mikro- und die Makroebene der gesamten Situation dar. Später machte sie sich Sorgen, dass es vielleicht als manisch rübergekommen sein könnte. Nein, Tessa und ich versicherten ihr, dass es beachtenswert rüberkam.
Nach einer langen Fahrt führte uns Tara einen schmalen, schneebedeckten Feldweg hinunter zu einem kleinen Zeltlager, wo Ahornbäume angezapft wurden. Der Saft wird gesammelt und kontinuierlich in einen riesigen, handbehauenen Topf gegossen, der über einem offenen Feuer angebracht ist, und dann für mehrere Tage eingedickt. Es ist sehr arbeitsintensiv – das Verhältnis beträgt 26 Gallonen Saft, um eine Gallone Sirup herzustellen. Sie verkaufen den Sirup nicht; sie wollen ihn für den Fall aufbewahren, dass es zu einer Verknappung kommt oder eine andere Katastrophe eintritt. Sie halten auch ihren Wildreis zurück. Alle warten gespannt auf eine Entscheidung aus dem Weißen Haus. Ihre Zukunft hängt am seidenen Faden.
Dieser Artikel von Barbara Williams wurde von Local Peace Economy produziert, einem Projekt des Independent Media Institute.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Anita Köbler vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!
Barbara Williams ist eine kanadische Musikerin, Schauspielerin und Aktivistin. Als Musikerin ist sie in Konzerten aufgetreten, die dem Frieden, den Arbeiterrechten und der Umwelt gewidmet waren. Sie ist die Autorin von ‚The Hope in Leaving: A Memoir‘.