Vor 100 Jahren, am 23. Juli 1921, trafen sich in einem kleinen Haus in Shanghai heimlich 13 Männer zum ersten Kongress einer neuen Organisation, 57 Mitglieder stark, die kommunistische Partei Chinas. Ein Jahrhundert später als Staatspartei mit mehr als 90 Millionen Mitgliedern, reagiert die kommunistische Partei mit eiserner Hand die Volksrepublik China (VRC) und streitet sich mit den Vereinigten Staaten von Amerika um die Vorherrschaft weltweit. Wie ist es dazu gekommen?
Erreicht wurde die Machtergreifung 1949 durch einen langen und blutigen Bürgerkrieg. Unter der Führung Mao Tse-Tungs hat die KPC China nach dem sowjetischen Modell transformiert und dann zu Beginn der 1960er Jahre eine utopische Politik des beschleunigten Aufholprozesses gegenüber den großen Industriemächten eingeleitete. Die menschliche Bilanz ist katastrophal. Mit dem Beginn des Jahres 1987, unter Führung von Deng Xiaoping, hat er ein wirtschaftlich-kapitalistisches Entwicklungsmodell erfunden, dass unter staatlicher Kontrolle hunderte Millionen Chinesen aus der Armut befreite und das Land in 4 Jahrzehnten an den zweiten Platz der Weltwirtschaft katapultierte. Das Ganze, ohne die Führungsrolle der Partei aus den Augen zu verlieren.
Pressenza blickt auf diese bewegte Geschichte zurück, die das Angesicht des bevölkerungsreichsten Staates der Welt verändert hat. Wir haben Professor Alain Roux, Sinologe, Historiker, emeritierter Professor am Institut für orientalische Sprachen und Zivilisation und an der Universität von Paris VIII, befragt. Er ist Autor zweier Referenzbiografien in Französisch: „Der Affe und Tiger: Mao, ein Schicksal Chinas“ (Larousse, 2009) und „Chiang Kai-Chek: Der große Rivale Maos“ (Payot, 2016).
Teil 1: 1921-1949: Die Eroberung der Macht
Teil 2: 1949-1976: Die Volkrepublik China unter Mao
Teil 3: 1976 – 2012: Reform und Marktwirtschaft
Teil 4: XiJinping oder der „chinesische Traum“ seit 2012
In diesem ersten Teil besprechen wir die Ursprünge der Kommunistischen Partei Chinas und ihre Machtergreifung.
1. Die Ursprünge der kommunistischen Partei Chinas (KPCh)
Pressenza: Was sind die Ursprünge der Kommunistischen Partei Chinas?
Alain Roux: Die Bewegung vom 4. Mai 1919 zeigte das Bestreben der städtischen Gesellschaft, das Land zu modernisieren und den Status einer Großmacht zurückzugewinnen, den China seit den „Opiumkriegen“ verloren und die Demütigung, die es durch die von den imperialistischen Mächte[1] diktierten „ungleichen Verträge“ erlitten hatte. Intellektuelle der „Neuen Kultur“ und Chen Duxius Journal „die Jugend“ setzen sich gegen Konfuzianismus und Tradition ein und treten für die fortschrittlichen Werte des Westens, der Demokratie und der Wissenschaft ein.
Die Oktoberrevolution 1917 in Russland machte auf den Marxismus aufmerksam, eine Doktrin, die im Westen entstand, aber den aggressiven Imperialismus desselben Westens kritisierte, dem China zum Opfer gefallen war, zumal die junge UdSSR 1919 auf die Vorteile verzichtet hatte, die durch das zaristische Russland im Rahmen der „ungleichen Verträge“ erlangte. In diesem Zusammenhang entstand am 5. August 1921 die KPCh unter der Schirmherrschaft der Kommunistischen Internationalen: Diese kleine Gruppe hatte damals nur 53 Mitglieder – Lehrer und Studenten, kein Bauer, kein Arbeiter – aber sie wurde von zwei angesehenen Intellektuellen geleitet, Chen Duxiu und Li Dazhao. Sie organisierte schnell die ersten Gewerkschaften. Die mächtige antiimperialistische Bewegung vom 30. Mai 1925, die die städtische Gesellschaft durch Arbeiter- und Studentenstreiks, Straßendemonstrationen und den Weggang des chinesischen Proletariats aus Protest aus Hongkong nach Kanton gegen ungleiche Verträge und westliche Imperialismen mobilisierte, schuf eine radikal neue politische Situation. Die KPCh führte nun eine revolutionäre Arbeiterbewegung, die ihre Macht gezeigt hatte und die Unterstützung einer sezessionistischen Regierung erhielt. Sie wurde im Kanton von Sun Yat-sen, dem Vorsitzenden der nationalistischen Kuomitang Partei (KMT), gegründet.
Im Januar 1924 ging die KPCh in der KMT auf: Ihre Mitglieder waren der KMT beigetreten, die die Existenz der KPCh „duldete“, deren Mitglieder sie blieben. Der Erfolg der von Chiang Kai-shek angeführten Militärexpedition zur Wiedervereinigung Chinas wurde von der raschen Entwicklung der Arbeiterbewegung in Zentralchina und der Entstehung einer Bauernbewegung begleitet, die eine Landreform forderte. Die Umwandlung einer nationalen Revolution in eine soziale Revolution war für Offiziere aus wohlhabenden, von Enteignung bedrohten Familien unerträglich, während die junge chinesische Bourgeoisie dem Protestdruck der revolutionären Gewerkschaften nicht nachgeben wollte. Chiang Kai-shek bildete eine Allianz mit der Geschäftswelt, die seinen Putsch am 12. April 1927 in Shanghai finanzierte. Ein blutiger weißer Terror, der mehrere Monate andauerte, vernichtete Kommunisten, revolutionäre Gewerkschafter und Progressive in ganz China, das unter der KMT wiedervereinigt wurde.
2. Die Sowjets von Jiangxi 1927-1934
Was ist das Schicksal der ersten chinesischen Sowjet-Republik, die als „Jianxi“ bekannt war?
Im August 1927 zog einer der Führer der KPCh zwei Lehren aus dieser schweren Niederlage der chinesischen Revolution:
- In China kam die Macht aus der Mündung der Waffen.
- Nicht die zahlenmäßig kleine Arbeiterklasse, die von Geheimbünden kontrolliert wurde, sondern die Bauernschaft und die Unterdrückten waren es, auf die sich die Kommunistische Partei stützen konnte, um einen langen Bürgerkrieg zum Sieg zu führen. Die Revolution wird bewaffnet und bäuerlich sein, oder nicht zum Ziel führen.
Die am 7. November 1931 im südchinesischen Jiangxi gegründete Chinesische Sowjetrepublik bestand aus zehn in Südchina verstreuten Territorien mit einer Gesamtfläche von der Schweiz, die 3 bis 4 Millionen Einwohner zählte und sich gegen die Angriffe der Nationalisten mithilfe einer Roten Armee verteidigte. Die bewaffneten Streitkräfte umfassten etwa 180.000 Mann.
Dieser rote Staat war eine Art verschanztes Lager und die Partei verschmolz mit ihren Streitkräften. Im Dezember 1930 führte eine innenpolitische Krise in der Stadt Futian zu einer blutigen Säuberung der Roten Armee unter der Führung von Mao Zedong und den wichtigsten Generälen. Die KPCh hatte ihre Unschuld aus den frühen Jahren bereits verloren.
3°: Vom langen Marsch bis zur Wiedergutmachungskampagne in Yan´an: 1934-1942
Wie hat Mao die Kontrolle der Partei übernommen?
Mao wird zu einem der wichtigsten Führer der KPCh dank seiner Beherrschung der Kunst des Guerillakriegs, die es der Roten Armee ermöglichte, zwischen 1928 und 1932 vier Vernichtungsfeldzüge zu widerstehen. Paradoxerweise war es seine Absage an Zhou Enlai und die „stalinistischen“ Führer der KPCh im Herbst 1932, der sich an ihn wandte, als es unmöglich wurde, die Sowjetzone zu verteidigen und somit im Oktober 1934 fliehen und den langen Marsch antreten musste. Im Januar 1935 wurde Mao in Zunyi zur Nummer eins der KPCh, unterstützt von seiner Armee.
Am Ende des Langen Marsches schien die an den Rand der chinesischen Welt getriebene KPCh zum Verschwinden verurteilt. Mao überlebte dank der Hilfe Stalins, der seine Autorität erkannte und dank seiner Bündnispolitik mit der Kuomintang angesichts der japanischen Aggression ab Sommer 1937. Mao nutzte das Ende des Bürgerkriegs aus[2], um 1942 eine Kampagne zur „Berichtigung des Arbeitsstils der Partei“ (zheng feng) zu starten. Er wollte der Führer werden, dessen Genie es ermöglichte, „den Marxismus an die chinesischen Realitäten anzupassen“. Er wurde ein Meisterdenker der Revolution, wie Marx, Engels, Lenin und Stalin, ein über alle anderen gestellten Führer und um den ein Kult betrieben wird. Der „Mao Tse-tung-Gedanke“, der vom 7. Kongress im Frühjahr 1945 in die Statuten der KPCh aufgenommen wurde, vereinheitlicht die Partei durch die Annahme einer Resolution. Sie reduziert ihre Geschichte auf die von Maos Aufstieg, während Kang Shengs politische Polizei Terror einsetzt, um Kritik zu verhindern. Die Partei kontrolliert die Armee, die Gesellschaft und das kulturelle Leben, wo alle künstlerische Produktion auf Propaganda reduziert wird.
4. Vom Sieg Maos und der Ausrufung der Volksrepublik China (1942-1949)
Wie erklärt man den Sieg der Kommunisten über die Nationalisten?
90 % der Kriegsanstrengungen gegen Japan beruhen auf der nationalistischen Armee, denn Chiang Kai-shek hält die Städte, Industriegebiete, Getreidespeicher und Kommunikationsachsen, die die strategischen Orte sind. Die nationalistische Armee erlitt im Sommer 1944 während der Ichi-Go-Offensive eine schwere Niederlage. Sie beendete den Krieg erschöpft und demoralisiert. Die Rote Armee beschränkt ihre Bemühungen, japanische Einfälle abzuwehren und von nationalistischen Armeen geräumten Gebiete zu besetzen, in denen die KPCh eine moderate Landreform durchführte. 1945 kontrollieren die Kommunisten 950.000 km2, wo 96 Millionen Bauern leben. Die KPCh hat 1.200.000 Anhänger und die Rote Armee 910.000 Soldaten, die von 2.300.000 Milizionären unterstützt werden.
Zu Beginn des Kalten Krieges der amerikanischen Hilfe sicher, glaubt Chiang Kai-shek, dass es möglich ist, die Kommunisten zu eliminieren. Nach anfänglichen Erfolgen verlor er im Sommer 1948 die Schlacht um die Mandschurei und im Winter die Schlacht um die Zentralebene. Die Kuomintang bricht zusammen. Die galoppierende Inflation und das erschreckende Schauspiel weit verbreiteter Korruption veranlassen die städtische Bevölkerung, ihre Unterstützung für die Kuomintang aufzugeben und sich zwangsläufig den Kommunisten zuzuwenden, die nach drei Jahrzehnten Bürgerkrieg und Auslandskriegen die Rückkehr zum Frieden bringen[3]. Das im Herbst 1949 von den neuen Institutionen beschlossene gemeinsame Programm zum Wiederaufbau des Landes scheint den unterbrochenen Prozess einer bürgerlich-demokratischen Revolution mit einer Agrarreform und einem Ehegesetz ab 1950 wieder aufzunehmen, die die Grundlagen der patriarchalischen Gesellschaft zerstören. Währenddessen ermöglicht es der Eintritt Chinas in das von der UdSSR geführte sozialisierte Lager dem Land, ein Jahrhundert der Demütigungen zu beenden.
Übersetzung aus dem Französischen von Aline Sieber vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!
[1] Seit den 1840ern wurde die vielschichtige Krise, in der sich das chinesische Reich befand, durch ausländische Einmischung genutzt. Sie schwächte die Souveränität des Landes und verwandelte es in eine Halbkolonie. 1911 stürzte eine Revolution den letzten Kaiser und rief die Republik aus. Aber China findet keine Stabilität und steckt mitten im Bürgerkrieg. Eine nationalistische Partei, die Guomindang, angeführt von Sun Yat-sen und später von Chiang Kai-shek, versucht, dem ganzen Land ihre Autorität aufzuzwingen.
[2] Der Kampf zwischen Kommunisten und Nationalisten wurde angesichts des japanischen Eindringlings bis zu dessen Kapitulation im September 1945 ausgesetzt.
[3] Während Chiang Kai-shek mit seiner Regierung auf der Insel Taiwan Zuflucht suchte, rief Mao am 1. Oktober 1949 in Peking die Volksrepublik China aus.