Beide Seiten im Krieg in der Ukraine haben ein Abkommen ausgehandelt, um die Hungersnot in Afrika und anderswo zumindest zu verringern, die durch den Krieg verursacht werden könnte. Sie haben sich auf eine Möglichkeit zum Export von Getreide geeinigt.
Diese beiden Seiten hatten zuvor bereits Vereinbarungen über Kriegsgefangene getroffen.
Das Merkwürdige daran – obwohl es in jedem Krieg vorkommt – ist, dass jede der beiden Seiten mit von ihr als irrationale Monster auf der anderen Seite charakterisierten Partnern verhandelt hat, mit denen keine Verhandlungen möglich sind.
Es gab in den letzten Jahrhunderten kaum einen Krieg, in dem nicht jede Seite behauptete, keinen Verhandlungspartner zu haben und einen totalen Krieg gegen ein Ungeheuer zu führen, während sie gleichzeitig Abkommen über Kriegsgefangene aushandelte und sich an verschiedene vereinbarte Beschränkungen für Waffentypen und Gräueltaten hielt.
Sitzen Sie? Ja, ich habe sogar den Namen Hitler gehört. Seine Regierung verhandelte mit den Verbündeten des Zweiten Weltkriegs über Kriegsgefangene und andere Angelegenheiten, selbst als die Regierungen der USA und Großbritanniens Friedensaktivisten mitteilten, dass Verhandlungen über die Evakuierung der Juden und anderer Opfer des Nazi-Völkermords unmöglich seien.
Der damalige britische Außenminister Anthony Eden traf sich am 27. März 1943 in Washington, D.C., mit dem Rabbiner Stephen Wise und Joseph M. Proskauer, einem prominenten Rechtsanwalt und ehemaligen Richter am Obersten Gerichtshof des Staates New York, der damals als Präsident des American Jewish Committee fungierte. Wise und Proskauer schlugen vor, sich an Hitler zu wenden, um die Juden zu evakuieren. Eden lehnte die Idee als „phantastisch unmöglich“ ab. Doch noch am selben Tag teilte Eden nach Angaben des US-Außenministeriums Außenminister Cordell Hull etwas anderes mit:
Hull warf die Frage nach den 60 oder 70 Tausend Juden auf, die sich in Bulgarien befanden und von der Vernichtung bedroht waren, wenn sie sie nicht herausholten, und drängte Eden zu einer Antwort auf dieses Problem. Eden antwortete, dass das gesamte Problem der Juden in Europa sehr schwierig sei und dass sie mit dem Angebot, alle Juden aus einem Land wie Bulgarien zu holen, sehr vorsichtig sein sollten. „Wenn wir das tun, werden die Juden in der ganzen Welt von uns ähnliche Angebote für Polen und Deutschland erwarten. Hitler könnte auf ein solches Angebot eingehen, und es gibt einfach nicht genug Schiffe und Transportmittel auf der Welt, um sie zu transportieren.“
Churchill stimmte zu. „Selbst wenn wir die Erlaubnis bekämen, alle Juden abzuziehen“, schrieb er in seiner Antwort auf einen Bittbrief, „stellt allein der Transport ein Problem dar, das schwer zu lösen sein wird.“ Wirklich nicht genug Schiffe und Transportmittel? Bei der Schlacht von Dünkirchen hatten die Briten in nur neun Tagen fast 340.000 Männer evakuiert. Die US-Luftwaffe verfügte über viele tausend neue Flugzeuge. Selbst während eines kurzen Waffenstillstands hätten die USA und die Briten eine große Zahl von Flüchtlingen per Flugzeug in Sicherheit bringen können.
Nicht jeder war zu sehr damit beschäftigt, einen Krieg zu führen. Vor allem ab Ende 1942 forderten viele in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien, dass etwas getan werden müsse. Am 23. März 1943 appellierte der Erzbischof von Canterbury an das Oberhaus, den Juden in Europa zu helfen. Daraufhin schlug die britische Regierung der US-Regierung eine weitere öffentliche Konferenz vor, auf der erörtert werden sollte, was für die Evakuierung der Juden aus den neutralen Staaten getan werden könnte. Das britische Außenministerium befürchtete jedoch, dass die Nazis an solchen Plänen mitwirken könnten, obwohl sie nie darum gebeten worden waren, und schrieb: „Es besteht die Möglichkeit, dass die Deutschen oder ihre Satelliten von der Politik der Ausrottung zu einer Politik der Ausweisung übergehen und wie vor dem Krieg darauf abzielen, andere Länder in Verlegenheit zu bringen, indem sie sie mit fremden Einwanderern überschwemmen.“
Das Ziel war hier nicht so sehr, Leben zu retten, sondern ging es vielmehr darum, die Peinlichkeit und Unannehmlichkeit zu vermeiden, die sich beim Retten von Leben ergeben. Und die Unfähigkeit, mit dem gegnerischen Monster etwas Nützliches und Humanitäres auszuhandeln, war nicht realer als die Fähigkeit der Ukraine oder Russlands, mit gegnerischen Monstern über Getreide zu verhandeln.
Es ist mir wirklich egal, ob diejenigen, die Kriege führen, als Monster bezeichnet werden oder nicht. Aber wohlmeinende Menschen sollten aufhören, auf die Behauptung hereinzufallen, man könne nicht mit ihnen verhandeln. Der Grund dafür, dass die Ukraine und Russland über Gefangene und Getreide verhandeln, aber nicht über Frieden, ist, dass mindestens einer von ihnen – aber ich denke, es sind ziemlich eindeutig beide – keinen Frieden wollen. Es liegt ganz eindeutig nicht daran, dass es unmöglich sei, zu verhandeln.
von David Swanson für World BEYOND War am 24. Juli 2022.
Übersetzung aus dem Englischen von Nadia Miranda vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam. Wir suchen Freiwillige!