Die USA bereiten Taiwan auf ein Kriegsschicksal wie dasjenige der Ukraine vor und rüsten Taipei dazu passend auf. Deutschland beteiligt sich an einer Kampagne, die einen Krieg um Taiwan riskiert.
Die Vereinigten Staaten bereiten Taiwan auf ein Kriegsschicksal wie dasjenige der Ukraine vor – mit Rückendeckung der Bundesregierung. Dies zeigen Berichte über einen Streit zwischen Washington und Taipei über die Aufrüstung der taiwanischen Streitkräfte. Während die Mehrheit der taiwanischen Militärs für eine recht konventionelle Aufrüstung mit Kampfjets und Kriegsschiffen plädiert, um angreifende chinesische Truppen zurückschlagen zu können, setzen US-Militärs auf eine Strategie wie in der Ukraine. Demnach soll Taiwan sich darauf vorbereiten, mit kleinen flexiblen Einheiten die chinesischen Streitkräfte zu bekämpfen – auch nach einer etwaigen Invasion. Deshalb sehen die jüngsten US-Rüstungslieferungen für Taipei kaum große Waffensysteme, sondern eher tragbare Abwehrraketen gegen feindliche Kriegsschiffe und Kampfjets vor. All dies geschieht parallel zur politischen Aufwertung Taiwans durch die westlichen Staaten, an der sich auch Deutschland beteiligt. Die Aufwertung läuft bewusst darauf hinaus, eine friedliche Wiedervereinigung mit Taiwan, wie sie Beijing anstrebt, unmöglich zu machen. Damit riskiert sie den nächsten Krieg.
Abwehrschlacht
Um die Aufrüstung Taiwans gibt es seit geraumer Zeit Streit zwischen Washington und Taipei. Dabei geht es nicht um die Frage, ob die Insel mit US-Kriegsgerät aufgerüstet werden soll, sondern vielmehr darum, welche Waffen die taiwanischen Streitkräfte zu welchem Zweck erhalten sollen. Viele ihrer Offiziere favorisieren eine traditionelle Strategie, die vor allem darauf setzt, eine etwaige chinesische Invasion mit Kampfflugzeugen, womöglich auch mit Kampfpanzern abzuwehren. Zudem soll die Marine gestärkt bzw. mit Landungsschiffen aufgerüstet werden, um gegebenenfalls die von Taiwan kontrollierten Inseln vor der chinesischen Festlandsküste sowie im Südchinesischen Meer verteidigen oder sogar auf das chinesische Festland übersetzen zu können. Zur Verwirklichung dieser Strategie benötigt Taipei unter anderem F-16-Kampfjets aus den Vereinigten Staaten; die Lieferung von 66 Stück hatte noch die Trump-Administration zugesagt, Berichten zufolge für einen Preis von rund acht Milliarden US-Dollar.[1] Taipei beklagt sich allerdings mittlerweile, offenbar gebe es Verzögerungen bei der Lieferung. Tatsächlich entspräche diese heute nicht mehr den Prioritäten Washingtons, das von Taiwan eine andere Abwehrstrategie verlangt.
Untergrundkrieg
Aus US-Sicht kann sich Taiwan mit einer traditionellen Strategie nicht mehr gegen die weit überlegenen Streitkräfte der Volksrepublik verteidigen. Die Hauptursache liegt darin, dass die taiwanischen Kriegsschiffe, Kampfjets und Startbahnen ein leichtes Ziel für die chinesischen Streitkräfte sind, die sie – so heißt es in Militärkreisen – möglicherweise schon in einer ersten Angriffswelle ausschalten könnten.[2] Stattdessen drängt Washington Taipei immer stärker, sich auf eine asymmetrische Strategie einzulassen, die im Wesentlichen dem Resisting Operating Concept (ROC) gleicht, in dem US-Spezialkräfte schon vor dem Krieg ukrainische Militärs trainierten und das heute zumindest partiell in der Ukraine zur Anwendung kommt (german-foreign-policy.com berichtete [3]). Es sieht vor, sich mit kleinen, mobilen Einheiten gegen einen etwaigen Angriff zu verteidigen und im Fall einer Einnahme der Insel nach Art eines Untergrundkriegs Widerstand zu leisten. „Gegen eine anrückende Flotte“ etwa könnten „Anti-Schiff-Raketen, Seeminen und kleine Boote mit Raketenwerfern zum Einsatz kommen“, gegen Flugzeuge „tragbare Waffen wie die berühmten Stinger“, gegen gepanzerte Fahrzeuge „die Javelin-Panzerabwehrwaffen“, erläutert der ehemalige Generalstabschef der taiwanischen Streitkräfte, Lee Hsi-min.[4]
Spezialkräfteoperationen
Im Streit mit Taipei sitzt Washington am längeren Hebel. Während sich die F-16-Lieferung verzögert, hat die Biden-Administration ein Rüstungspaket im Wert von ungefähr 1,1 Milliarden US-Dollar zugesagt, das unter anderem 60 Antischiffsraketen vom Typ Harpoon enthält. Der US-Senat hat inzwischen ein weiteres Rüstungspaket mit einem Volumen von 6,5, möglicherweise bis zu 10 Milliarden US-Dollar auf den Weg gebracht [5]; welche Waffen letztlich geliefert werden, muss die US-Administration genehmigen. Washingtons Prioritäten liegen auf Abwehrwaffen à la Harpoon, Javelin und Stinger. Hinzu kommt, dass die US-Streitkräfte über Ausbildungsmaßnahmen für taiwanische Militärs direkt Einfluss nehmen können. Berichten zufolge sind kleinere US-Kontingente spätestens seit September 2008 auf Taiwan aktiv – zunächst vor allem, um taiwanische Soldaten in die Nutzung von US-Kriegsgerät einzuweisen. Die Trump-Administration hat begonnen, die Kontingente aufzustocken sowie ihr Tätigkeitsfeld auszuweiten; die Biden-Administration setzt dies fort. Zu den Ausbildern zählen auch US-Spezialkräfte.[6] Bekannt ist unter anderem, dass sie taiwanische Sondereinheiten in Operationen mit kleinen Schnellbooten trainieren; wie berichtet wird, handelt es sich um Taktiken im Kampf gegen feindliche Marinen.
„Hochprovokativ und kriegslüstern“
Auf Taiwan werden neben militärstrategischen auch ganz allgemeine Bedenken geäußert. Unklar ist, ob die Aussicht, im Falle einer chinesischen Invasion zu enden wie die Ukraine, in der taiwanischen Bevölkerung wirklich Anklang findet. Taiwan könne „sich nicht mit dem Patriotismus und der Bereitschaft der Ukrainer messen, ihr Land zu schützen“, wurde etwa Chang Yan-ting, ein ehemaliger Generalleutnant der taiwanischen Luftwaffe, unlängst zitiert. Taipei täusche Washington gezielt, erklärte Chang: „Wir sind nicht bereit, insbesondere in Sachen militärische Moral.“[7] Grundlegende Kritik an der Aufrüstung Taiwans durch die Vereinigten Staaten äußerte kürzlich der republikanische Senator Mitt Romney. „Wir machen etwas, was hochprovokativ und kriegslüstern ist“, warnte Romney: Er hoffe, Washingtons demonstrative Aufrüstung Taiwans einschließlich der Ausbildung taiwanischer Militärs führe nicht dazu, dass die Volksrepublik – fürchtend, Taiwan werde militärisch immer stärker – sich entschließe, die Insel lieber früher als später einzunehmen.[8] Eine Provokationsstrategie verfolgt Washington freilich ohnehin, indem es Taiwan immer weiter aufwertet und damit auf lange Sicht Taiwans friedliche Wiedervereinigung mit China unmöglich macht (german-foreign-policy.com berichtete [9]). Das allerdings wäre erklärtermaßen ein Kriegsgrund für Beijing.
Deutschlands zweite Front
An der Provokationsstrategie mit der Aussicht, die Bedingungen herzustellen, die für Beijing erklärtermaßen ein Kriegsgrund sind, beteiligt sich auch die Bundesrepublik. Kürzlich hielt sich eine deutsche Parlamentarierdelegation auf Taiwan auf und traf dort nicht zuletzt mit Präsidentin Tsai Ing-wen zusammen. Für Ende Oktober ist ein Besuch von Mitgliedern des Menschenrechtsausschusses des Bundestags auf der Insel angekündigt. Eine beträchtliche Ausweitung der Beziehungen in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht ist im Gespräch; im Sprachgebrauch selbst von Mitgliedern der Bundesregierung wird Taiwan faktisch als ein eigenständiger Staat behandelt: Anfang August erklärte Außenministerin Annalena Baerbock, Berlin „akzeptiere“ es nicht, wenn „ein größerer Nachbar völkerrechtswidrig seinen kleineren Nachbarn überfällt“.[10] Die Formulierung impliziert, dass die Volksrepublik und Taiwan gleichen Status besäßen und deshalb eine chinesische Invasion das Völkerrecht bräche. Damit hat Baerbock das Ein-China-Prinzip, das die Bundesregierung bislang gewahrt hat, infrage gestellt. Inzwischen ist zudem eine Durchfahrt eines deutschen Kriegsschiffs durch die Taiwanstraße im Gespräch.[11] Damit brächte sich Deutschland auch militärisch offen gegen China in Position.
Mehr zum Thema: Spiel mit dem Feuer.
[1] Brad Lendon: US finalizes sale of 66 F-16 fighters to Taiwan as China tensions escalate. edition.cnn.com 18.08.2020.
[2] Rachel Oswald: US, Taiwan grapple with key differences in debate over deterring China. rollcall.com 12.09.2022.
[3] S. dazu Kriegsdrehscheibe Deutschland.
[4] Patrick Zoll: „China kann unsere Armee zerstören. Doch dann muss es immer noch gegen unser Volk kämpfen“. Neue Zürcher Zeitung 14.10.2022.
[5] Connor O’Brien: Senators seek billions more in military aid for Taiwan. politico.com 12.10.2022.
[6] Jack Detsch, Zinya Salfiti: The U.S. Is Getting Taiwan Ready to Fight on the Beaches. foreignpolicy.com 08.11.2021.
[7] Rachel Oswald: Taiwan, US struggle over differences on weapons to counter China. rollcall.com 13.09.2022.
[8] Rachel Oswald: Senate panel approves Taiwan bill after diluting some provisions. rollcall.com 14.09.2022.
[9] S. dazu Spiel mit dem Feuer.
[10] Leonie Tabea Natzel: „Wir akzeptieren nicht, wenn ein Nachbar seinen Nachbarn überfällt“: Baerbock warnt China. handelsblatt.com 03.08.2022.
[11] S. dazu Die zweite Front der Bundeswehr.